Heinrich Vogeler – Aus dem Leben eines Träumers

Zum Vergrößern klicken

In diesem Jahr jährt sich Heinrich Vogelers Geburtstag zum 150. Mal. Grund genug für eine umfassende Ausstellung im Künstlerort Worpswede, aber auch der ideale Zeitpunkt für einen Film, der nach den Mustern einer Dokumentation erzählt, aber mit reichlich Spielszenen ausgestattet ist. „Heinrich Vogeler – Aus dem Leben eines Träumers“ ist so weder das eine, noch das andere, aber der vielleicht perfekte Ansatz, um den Künstler und den Zeiten im Umbruch, in denen er lebte, gerecht zu werden.

Website: http://www.farbfilm-verleih.de/filme/heinrich-vogeler/

Deutschland 2022
Regie: Marie Noëlle
Buch: Marie Noëlle
Darsteller: Florian Lukas, Anna Maria Mühe, Alice Dwyer, Johann von Bülow, Samuel Finzi

Länge: 90 Minuten
Verleih: Farbfilm Verleih
Kinostart: 12. Mai 2022

FILMKRITIK:

Heinrich Vogeler war einer der angesehenen Künstler des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts. Er sah die Schönheit seiner Umwelt und wollte sie in seiner Kunst einfangen, er war ein Handwerker, der sich die Hände gerne schmutzig machte, ein Künstler, wie er damals wohl als Solitär gelten musste. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs war er Soldat, aufgekratzt und aufgeregt wie alle anderen, der Propaganda aufgesessen, man würde die Heimat verteidigen müssen. Seine Erlebnisse im Großen Krieg prägten ihn und machten ihn zum politischen Dissidenten, der dem Faschismus entfloh und sein Glück im Kommunismus der Sowjetunion suchte.

Marie Noëlle nähert sich Vogeler auf ungewöhnliche Art. Sie lässt ihn für den Zuschauer spür- und erlebbar werden, wenn Florian Lukas in den reichlich vorhandenen Spielszenen den Künstler zum Besten gibt. Zugleich stellt sie dem gespielten Material Interviews mit Künstlern und Historikern gegenüber, die Vogelers Werk für den Zuschauer einordnen und auch das Augenmerk auf so manche Zerrissenheit lenken – wenn etwa ein Gemälde oberflächlich von einem Idyll erzählt, aber eigentlich Ausdruck einer ins Chaos gestürzten Welt ist.

Sie lässt Vogeler und die Menschen, die ihn umgaben, auch auf die Nachwelt treffen. In einer faszinierenden Sequenz verlassen Vogeler und seine Begleitung die eigene Zeit und betreten das Atelier einer Künstlerin, die seinem Werk eine Hommage gesetzt und es mit dem eigenen Werk in Zusammenhang gesetzt hat. Im Kern geht es um den Akt – der Mann als Künstler, die Frau als die Porträtierte, eine Konstellation, wie sie zu Vogelers Zeiten gang und gäbe war. Darin inhärent ist ohne jedwede Darstellung von Sexualität auch immer die erotische Anziehung, die – Zitat – der Schönheit einer nackten Frau innewohnt.

„Heinrich Vogeler – Aus dem Leben eines Träumers“ ist selbst ein Kunstwerk, das fiktive Szenen mit Archivmaterial, alten Nachrichtenschauen und Fotos, aber auch neuen Interviews und natürlich Vogelers Bildern in einer Erzählung verdichtet. Der Film gibt ein Gefühl dafür, wie es sein muss, wenn das ganze Leben in Zeiten des Umbruchs stattfindet, wenn Ideologien und Systeme aufeinandertreffen, Kriege alle Gewissheiten vernichten und der Mensch als kleines Rädchen im Getriebe versucht, etwas zu bewegen.

Peter Osteried