Im Westen nichts Neues

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Die Erstverfilmung von Erich Maria Remarques „Im Westen nichts Neues“ gewann 1930 zwei Oscar, nun geht die erste deutsche Verfilmung des Stoffes ins Rennen um den Oscar für den Besten Internationalen Film. Regie führte Ed Berger, der mit starker Besetzung und sehr viel Geld einen stilistisch mitreißenden Film drehte, der inhaltlich zum Teil deutlich (und unnötig) von der Vorlage abweicht.

Deutschland 2022
Regie: Ed Berger
Buch: Edward Berger, Lesley Paterson, Ian Stokell, nach dem Roman von Erich Maria Remarque
Darsteller: Felix Kammerer, Albrecht Schuch, Aaron Hilmer, Moritz Klaus, Edin Hasanovic, Adrian Grünewald, Thibault De Montalembert, Devid Striesow, Daniel Brühl

Länge: 147 Minuten
Verleih: Netflix
Kinostart: 29. September 2022

FILMKRITIK:

Frühjahr 1917. Auch wenn der Erste Weltkrieg schon drei Jahre tobt und Hunderttausende gestorben sind, ziehen Paul (Felix Kammerer) und seine Freunde voller Begeisterung und Patriotismus an die Front. Doch kaum an der Westfront angekommen werden sie in die Schützengräben geworfen, aus denen sie bis zum Ende des Krieges nicht herauskommen werden.

18 Monate später, im November 1918, sind viele weitere, meist junge Männer gefallen, doch der Krieg ist noch nicht vorbei. Während Paul, der nur Kat genannte Katczinsky (Albrecht Schuch) und Tjaden (Edin Hasanovic) die Stellung halten, sich von schlechtem Essen mühselig ernähren und in verdreckten Baracken hausen, beginnt in einem luxuriösen Eisenbahnwaggon die Verhandlung um einen Waffenstillstand. Auf deutscher Seite führt der Pazifist Matthias Erzberger (Daniel Brühl) die Verhandlungen, sieht sich jedoch französischen Generälen gegenüber, die keine Kompromisse machen wollen. In einem einsamen Schloss nahe der Front wiederum, herrscht ein deutscher General (Devid Striesow), der seine Truppen lieber in den Tod schicken will, als Frieden zu schließen.

Basierend auf eigenen Erfahrungen als junger Rekrut veröffentlichte Erich Maria Remarque 1928 seinen berühmtesten Roman „Im Westen nichts Neues.“ Schon zwei Jahre später wurde das schnell zum Bestseller gewordene Buch in Hollywood von Lewis Milestone erfolgreich verfilmt, während es in Deutschland bald von den Nazis als unpatriotisch verboten wurde.

Gut 90 Jahre später hat Ed Berger nun mit viel Geld von Netflix eine Neuverfilmung gedreht, die stilistisch nichts zu wünschen übrig lässt.

In Tschechien entstanden die riesigen Sets, ausufernde Schützengräben und Barackensiedlungen, in denen Berger Kriegsszenen inszeniert, die atemberaubend authentisch wirken. Dank der spektakulären Kameraarbeit von James Friend und der fast schon experimentell reduzierten Musik von Volker Bertelmann werden die Grauen des Ersten Weltkriegs fast körperlich spürbar. Die Sinnlosigkeit und Brutalität des ständigen hin und hers der Grabenkämpfe, bei denen über Jahre um wenige hundert Meter Land gekämpft wurde und Millionen meist junge Rekruten starben, war selten so sehr spürbar wie hier.

Doch leider beschränkt sich Berger nicht auf diesen Aspekt des Krieges und der Romanvorlage, sondern weitet den Blick aus. Was er jedoch abseits der Front zeigt, ist zwar gut gemeint und pazifistisch, wirkt jedoch oft banal. Gerade der betont ausgestellte Kontrast zwischen dem Leben in Dreck und Armut der Rekruten an der Front und dem der Generäle, denen auf feinem Geschirr Delikatessen serviert werden, mutet allzu ausgestellt an. Dass Berger und seine Drehbuchautoren dann auch noch einen finalen deutschen Angriff, Minuten vor in Kraft treten des Waffenstillstandes erfinden, um die Absurdität des Krieges noch deutlicher zu machen, wirkt wie ein bedauerliches Zugeständnis an moderne Sehgewohnheiten.

Trotz dieser inhaltlichen Mängel bleibt „Im Westen nichts Neues“ jedoch ein sehenswerter, mitreißender und oft erschütternd brutaler Kriegsfilm, der nicht zuletzt zeigt, was im deutschen Film möglich ist, wenn man ausreichende finanzielle Mittel zur Verfügung hat und nicht kleckert sondern klotzt.

 

Michael Meyns