Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung

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Es ist ein sehr ungewöhnlicher Ansatz, den der ukrainische Filmemacher Sergey Loznitsa für seinen Film „Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung“ wählt, denn er verzichtet auf einen einordnenden Kommentar und zeigt stattdessen Archivmaterial aus Deutschland und Großbritannien, bisweilen unterbrochen von den Reden eines Winston Churchill oder eines Sir Arthur Harris. Loznitsa lässt die Bilder sprechen und zeigt mit ihnen auf, wie austauschbar die Zivilbevölkerung ist – ob deutsch oder britisch, das Sterben und Leiden ist dasselbe.

Webseite: https://verleih.progress.film/

Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung
Deutschland / Litauen / Niederlande 2022
Regie: Sergey Loznitsa
Buch: Winfried Georg Sebald

Länge: 112 Minuten
Verleih: Progress Film
Kinostart: 16. März 2023

FILMKRITIK:

Der Film entstand im letzten Jahr, schon unter dem Eindruck des von Russland begonnenen Angriffskrieg gegen die Ukraine, der die Kriegsmechanismen vergangener Zeiten übernimmt – inklusive der Bombardierung der Zivilbevölkerung. In seinem Film greift Loznitsa keine aktuellen Ereignisse auf. Vielmehr zeigt er mit Archivmaterial Deutsche und Briten in ihrem täglichen Leben. Er zielt darauf ab, zu zeigen, dass der Feind auch nur eine Spiegelung des eigenen Selbst ist, und dass die Entmenschlichung vonnöten ist, um ihn erbarmungslos bombardieren zu können.

So sieht man hier Zivilisten in alltäglichen Situationen. Belebte Straßen, geschäftiges Treiben, Spaß am Leben. Dazwischen geschnitten sind startende Bomber. Bomber in der Luft. Und dann die Verheerung, die sie auslösen, das Leid, das sie verursachen. Es ist auf beiden Seiten dasselbe. Oftmals lässt Loznitsa den Zuschauer im Unklaren, ob er gerade Deutsche oder Briten sieht. Es kommt vor, dass man denkt, Deutsche zu sehen, und dann jubeln sie Winston Churchill zu. Klarer kann Loznitsa seinen Punkt nicht darlegen. Die Menschen sind gleich. Nationen mögen sich bekriegen, Menschen tun es nur aus dem Zwang der Staatstreue heraus. Zugleich schafft der Film ein Gefühl dafür, wie die Regierungen der damaligen Zeit sich für eine neue Kriegsführung entschieden.

Diese fand nicht mehr (nur) auf dem Schlachtfeld statt, sondern auch in den Städten. Die Bombardierung der Zivilbevölkerung war bis dahin beispiellos. Sie ist ein Wendepunkt der modernen Kriegsführung und wurde – zu Recht – nach dem Zweiten Weltkrieg geächtet.

„Luftkrieg – Die Naturgeschichte der Zerstörung“ ist vielleicht etwas zu lang, weil die Bilder sich wiederholen, weil der Film eine Aussage zu treffen hat, und diese auch frühzeitig präsentiert .Danach folgt Repetition. Man muss auch hinterfragen, ob Loznitsas Ansatz wirklich so erfolgreich ist. Er bietet keine Einordung, der Film erzählt nichts von den Hintergründen, die Bilder sollen für sich sprechen. Das tun sie auch, aber man wird das Gefühl nicht los, dass sie nicht so beredt sind, wie der Regisseur sich das vorgestellt hat.

Und dennoch: Ein wichtiger Film, gerade auch in der heutigen Zeit, weil er das Grauen des Bombenkriegs noch einmal direkt vor Augen führt.

 

Peter Osteried