Mein gestohlenes Land

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Schon mit seinem Dokumentarfilm „Camp 14 – Total Control Zone“ über ein nordkoreanisches Umerziehungslager griff Regisseur Marc Wiese 2012 ein brisantes Thema auf. Auch sein neuer Film „Mein gestohlenes Land“ über die Ansiedlung chinesischer Bergbauunternehmen in Ecuador hat politische Sprengkraft. Zwischen Nervenkitzel und den Aussagen Betroffener skizziert Wiese die Deals korrupter Regierungen – und zeigt den bewaffneten Kampf dagegen.

Webseite: www.realfictionfilme.de/mein-gestohlenes-land.html

This stolen country of mine
Deutschland 2022
Buch & Regie: Marc Wiese
Mitwirkende: Paúl Jarrin, Hernán Galarza, Fernando Villavicencio

Laufzeit: 93 Min.
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 10. November 2022

FILMKRITIK:

Chinas Expansionsdrang greift in etliche Regionen der Welt, besonders in Afrika und Südamerika kauft sich das Regime von Xi Jinping seit Jahren exzessiv ein, um sich Zugang zu Ressourcen zu sichern. Im Dokumentarfilm „Mein gestohlenes Land“ zeigt Marc Wiese die Situation in Ecuador. Dort organisieren Paúl Jarrin und Hernán Galarza den bewaffneten indigenen Widerstand gegen die Ausbeutung durch dubiose Regierungsdeals. Immerhin schaden die vielen chinesischen Bergbauunternehmen mit der Förderung von Uran, Gold oder Silber der Umwelt und vergiften umliegende Wasserquellen. Wiese begleitet die Widerständler unter anderem bei der Erstürmung einer chinesischen Mine.

Ein weiterer Protagonist ist der Investigativjournalist Fernando Villavicencio, der brisante Geheimverträge zwischen China und Ecuador öffentlich machte. Die Verstrickungen und Korruptionsfälle reichen bis in die erste Regierungsreihe. So schanzte der von 2007 bis 2017 amtierende ecuadorianische Präsident Rafael Correa chinesischen Firmen umfassende Konzessionen zu. Für die Gegnerinnen und Gegner kommt das einem Ausverkauf gleich, der Ecuador in eine Kolonie verwandelt. In vielen Interviews schildern Jarrin, Villavicencio und andere ihre Sicht auf den Neokolonialismus.

Stilistisch erinnert „Mein gestohlenes Land“ an den Dokumentarfilm „Cartel Land“ über den mexikanischen Drogenkrieg. Beide Filme tendieren stark in Richtung Thriller, was bei Marc Wiese schon der bedrohlich wirkende Score von Alva Noto unterstreicht. Vieles findet im Halbdunkel, im Gegenlicht oder gleich ganz in der Nacht statt. Wiese und der Kameramann Wolfgang Held werfen sich mitten ins Geschehen. Auseinandersetzungen werden aus dem Auto gefilmt, oft sind die Handkamerabilder verwackelt oder zeigen den Boden, immer wieder züngeln Flammen in Zeitlupe. Bei den Schusswechseln wirken die Impressionen wie Kriegsberichterstattung.

Marc Wiese vermittelt eher ein Gespür für die aufgeladene Situation als sachliche Fakten. In dieser Hinsicht ist „Mein gestohlenes Land“ ein künstlerischer Dokumentarfilm, der mit nebelverhangenen Landschaftsbildern und der spannungsgeladenen Gestaltung Akzente setzt.

Christian Horn