Nebenan

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Er trat in über 70 Filmen auf, nun wagt sich DANIEL BRÜHL, 42, mit „Nebenan“ hinter die Kamera - und spielt zugleich die Hauptrolle an der Seite von Peter Kurth. Das Regie-Debüt gelingt ziemlich gut, nicht umsonst wurde die vergnüglich verspielte Komödie in den Wettbewerb der Berlinale eingeladen. Brühl gibt den protzigen Filmstar aus Berlin, den es auf dem Weg zum wichtigen Casting in ein Kiez-Lokal verschlägt. Dort wird er von einem überaus höflichen Gast in ein Gespräch verwickelt - das sein Leben vollkommen aus der Bahn werfen könnte. Ausgedacht hat sich das clevere Eckkneipen-Kammerspiel um Gentrifizierung, Eitelkeiten und Wendeverlierer der Erfolgsautor DANIEL KEHLMANN. So gelungen dessen Pointen, so überzeugend gerät die Inszenierung des Jungfilmers. Brühl und Kurth spielen traditionell schon gut, aber als Duo sind sie eine absolute Wucht.

Webseite: https://www.warnerbros.de/de-de

D 2021
Regie: Daniel Brühl
Darsteller: Daniel Brühl, Peter Kurth, Rike Eckermann, Aenne Schwarz, Gode Benedix
Filmlänge: 92 Minuten
Verleih: Warner Bros
Kinostart: 15.7.2021

Pressestimmen:

"Ein Rundumschlag gegen Gentrifizierung, die deutsche Filmbranche, Hollywood, blasierte Schauspieler und die Ost-West-Debatte. Furios selbstironisch und furios fies gespielt von Daniel Brühl und Peter Kurth." RBB

"Ein Katz- und Maus-Kammerspiel in einer Berliner Eckkneipe - klug beobachtet, pointiert geschrieben und hervorragend gespielt. (...) Unter der Oberfläche pointierter Dialoge behandelt das Regiedebüt von Daniel Brühl hochrelevante Themen und hält als kluge Milieustudie der künstlerisch intellektuellen Arroganz einen bitterbös reflektierenden Spiegel vor. - FBW-Prädikat: besonders wertvoll."

FILMKRITIK:

„You crawled out of darkness!“ sagt der Held mit bedrohlichem Ton unter der Dusche. Und gleich wieder. Und nochmals. Daniel (Daniel Brühl) probt für seine nächste Rolle als Superheld in einem großen Fantay-Film. Fürs Casting soll er von Berlin nach London reisen. „Es ist ein wichtiger Tag!“, weiß die Haushälterin. Die vor dem modernisierten Altbau wartende Limousine lässt der Filmstar stehen, er hat noch Zeit und macht einen kleinen Abstecher in die Eckkneipe „Zur Brust“. Die resolute Wirtin begrüßt ihn mit rauer Herzlichkeit: „Na, wenn das nicht Tom Cruise ist!“. Stammgast Bruno (Peter Kurth) gibt sich am Tresen gleichfalls freundlich. Sehr höflich fragt er den Star nach einem Autogramm. „2002 da haben Sie hier diesen Stasi-Film gedreht, nicht?“, erweist er sich wenig später als gut informiert.

Langsam, aber unerbittlich zieht Bruno die Small-Talk-Schrauben an. „Ich seh immer nur Sie!“, stellt der Fremde das Talent des verblüfften Stars in Frage. Wenn schon ein kleines Lob, dann reichlich vergiftet: „’Mindfull’ wäre eine ganz gute Serie gewesen - wenn du sie vor zehn Jahren gemacht hättest.“ Lange lässt Daniel solche Demütigungen sich nicht mehr gefallen: „Wissen Sie, was mich überrascht? Leute wie Sie, die ernsthaft glauben, dass mich ihre Meinung interessiert.“ Er will die Unterhaltung beenden. Doch Bruno hat noch etliches Insider-Wissen im Köcher. Je mehr Puzzle-Stücke er präsentiert, desto verzweifelter gerät die Lage für den Schauspieler. Der abgehängte Ostler scheint seine neue Macht sichtlich zu genießen - aber welchen mysteriöse Masterplan steckt wirkliche hinter dieser geheimnisvollen Aktion?

Nach einer Idee von Daniel Brühl entwickelte Bestsellerautor Daniel Kehlmann („Die Vermessung der Welt“) das Drehbuch für dieses Eckkneipen-Kammerspiel. Neben Hauptrolle und Regie übernahm Brühl zudem den Job als Koproduzent. Die dreifache Belastung ist dem Debütwerk nie anzumerken, ganz im Gegenteil: So unangestrengt die Inszenierung ausfällt, so lässig gerät die Darstellung. Mit Peter Kurth stand Brühl bereits in „Goodbye, Lenin!“ (2003) und „Ein Freund von mir“ (2006) gemeinsam vor der Kamera. Bei diesem nunmehr dritten Streich liefern sich die beiden Vollblut-Akteure ein Psycho-Duell vom Feinsten. Als Spinne im Netz lässt Bruno sein ahnungsloses Opfer zunehmend zappeln, was Peter Kurth genüsslich zelebriert: Stets auffallend höflich im Ton, bei der Ausführung des perfiden Planes jedoch so eiskalt wie gnadenlos. Daniel wehrt sich mit allen Kräften und kann gelegentlich sogar kleinerer Punktsiege für sich verbuchen. Je stärker der große Star zappelt, desto mehr verfängt er sich allerdings im ausgelegten Netz. Mit viel Sinn für Selbstironie gibt Daniel Brühl dem Affen Zucker und lässt den eitlen Star zum gockelhaften Angeber werden - wer den echten Daniel kennt, weiß, wie weit entfernt er von solchen Attitüden ist.

So vergnüglich das pointenreiche Psycho-Duell in der Eckkneipe ausfällt, präsentiert die Tragikomödie ganz nebenbei durchaus ernste Themen. Von Gentrifizierung und Wendeverlierern über soziale Ungerechtigkeiten bis zu Eitelkeiten und Versagensängsten. Mit derart grundverschiedenen Antagonisten eröffnet sich allerlei dramaturgisches Potenzial für Konflikte, Wendungen und Überraschungsmöglichkeiten, zumal beide Figuren mit ausreichend psychologischer Plausibilität ausgestattet sind.

Die Reaktionen der Medien fielen auf der Online-Berlinale erstaunlich verhalten aus. Bei der Publikums-Berlinale im Juni dürfte da viel mehr Jubel zu erwarten sein - im Kino-Einsatz ebenso!

Dieter Oßwald