Parallele Mütter

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Seit seinem Durchbruch in den 1980er-Jahren ist der spanische Autor und Regisseur Pedro Almodóvar kaum mehr aus dem Reigen europäischer Filmschaffender wegzudenken. Mit seinem neuen Film „Parallele Mütter“ unterstreicht der Auteur einmal mehr, dass er stilistisch alle Fäden in der Hand hat – und nach wie vor ein spannender Geschichtenerzähler ist. Das unter Beteiligung von Netflix produzierte Drama eröffnete 2021 die Filmfestspiele in Venedig, wo die Hauptakteurin Penélope Cruz als Beste Darstellerin geehrt wurde.

Website: www.studiocanal.de/kino/parallele_muetter

Madres paralelas
Spanien 2021
Regie und Buch: Pedro Almodóvar
Darsteller: Penélope Cruz, Milena Smit, Rossy de Palma, Israel Elejalde, Aitana Sánchez Gijón, Julietta Serrano, Daniela Santiago
Laufzeit: 126 Min.
Verleih: Studiocanal
Kinostart: tba

FILMKRITIK:

Die in Madrid lebende Werbefotografin Janis (Penélope Cruz) wird bei ihrer Affäre mit dem Anthropologen Arturo (Israel Elejalde) ungeplant schwanger. Da Arturo seine erkrankte Ehefrau nicht verlassen will, beschließt Janis, das Kind alleine großzuziehen. Im Krankenhaus teilt sie sich ein Zimmer mit der ebenfalls ungewollt schwangeren 17-jährigen Ana (Milena Smit). Die Geburt ihrer Babys findet am selben Tag statt, fortan unterstützen sich die alleinerziehenden Mütter, zumal Anas Mutter Teresa (Aitana Sánchez Gijón) als Theaterschauspielerin auf Tournee geht und ihr Vater seit der Scheidung der Eltern ohnehin abwesend ist. Derweil bemüht sich Arturo um eine Genehmigung, ein Massengrab aus der Franco-Zeit auszuheben. Darin liegt Janis' im Bürgerkrieg erschossener Urgroßvater, der nun beerdigt werden soll.

„Parallele Mütter“ trägt auf sämtlichen Ebenen die markante Handschrift des Autorenfilmers Pedro Almodóvar, die stets auf den ersten Blick erkennbar ist. Die Farben strahlen satt wie immer, die artifizielle Ausstattung setzt mit bunten Wäscheklammern oder drapierten Obstschalen Akzente, die Kostüme sitzen passend zur Bildgestaltung. Mit Penélope Cruz oder Rossy de Palma („Zerrissene Umarmungen“) als beste Freundin und Chefin der Protagonistin treten langjährige Stammdarstellerinnen des Regisseurs auf, hinter der Kamera kollaboriert er abermals mit Weggefährten wie dem Komponisten Alberto Iglesias („Volver“) oder dem Kameramann José Luis Alcaine („Die Haut, in der ich wohne“).

Auch thematisch beackert Almodóvar aus seinem Werk bekannte Themen. Der Fokus liegt auf der Mutterschaft der unterschiedlichen Frauen Janis und Ana sowie am Rande Teresa, die ihre Rolle auf je eigene Weise gestalten, aber im selbstbestimmten Handeln geeint sind. „We should all be feminists“ steht quasi als Quintessenz auf einem Shirt, das Penélope Cruz in einer Szene trägt. Einige spannende Wendungen, die hier keinesfalls verraten werden sollen, halten die zwischenmenschlichen Beziehungen durchweg auf Trab. Lediglich die Rahmenhandlung um Janis' Familiengeschichte und Arturos Nachforschungen zum verbrecherischen Franco-Regime wirkt etwas angehängt, auch wenn schlüssige Parallelen zur Haupthandlung bestehen.

In erster Linie ist „Parallele Mütter“ ein raffiniertes Melodram, bisweilen stellt Almodóvar die emotionalen Spannungen rund um Lügen, Geheimnisse oder Eifersucht aber auch mittels Thriller-Anleihen dar. Mal huschen Schatten wie in einem Film Noir über die Wand, mal wirkt Cruz mit einem großen Küchenmesser in der Hand zum Äußersten entschlossen, schneidet dann aber nur ein paar Karotten. Die Stimmungswechsel und erzählerischen Wendungen sind meisterlich inszeniert und halten die intimen (Gewissens-)Konflikte durchweg unter Spannung. Ein oft trauriger und sehr schöner Film, mit dem Pedro Almodóvar nach zwei Dutzend Kinobeiträgen noch immer einen modernen Eindruck hinterlässt.

Christian Horn