Promising Young Woman

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Provokativ und makaber geht es zu in Emerald Fennells Regie-Debüt, in dem sich eine ehemalige Medizinstudentin an Männern rächt, die Frauen in Not ausnutzen. In der Hauptrolle brilliert Carey Mulligan („Drive“) als traumatisierte, ein Doppelleben führende Femme Fatale, die dem männlichen Geschlecht den Spiegel vorhält. Die wild-ungezügelte Thriller-Dramödie ist vielleicht nicht ganz frei von Schwächen, aber ein erfrischend unalltäglicher filmischer Rachetrip, der mit seiner auffallenden Farbgebung berauscht und dessen selbstbewusster, derber Humor im Gedächtnis bleibt.

Website: www.upig.de/micro/promising-young-woman

USA, Großbritannien 2020
Regie: Emerald Fennell
Drehbuch: Emerald Fennell
Darsteller: Carey Mulligan, Laverne Cox, Bo Burnham, Alison Brie
Länge: 113 Minuten
Verleih: Universal Pictures
Kinostart: 18.02.2021

FILMKRITIK:

Die frühere Medizinstudentin Cassie (Carey Mulligan) ist 30 und lebt immer noch bei ihren Eltern (Clancy Brown, Jennifer Coolidge). Tagsüber langweilt sie sich bei ihrer Arbeit in einem Coffee Shop. Ein Tag gleicht dem anderen. In eine regelrechte Parallelwelt taucht Cassie mehrmals die Woche in den Bars und Clubs ab. Sie spielt die Betrunkene um sich von „besorgten“ Männern mit nach Hause nehmen zu lassen. Dort zeigt Cassie dann ihr wahres Gesicht und erteilt den Männern eine Lektion. Der Grund für Cassies Mission gegen die Männerwelt reicht einige Jahre zurück und hat mit ihrer damaligen Uni-Freundin Nina zu tun. Diese wurde Opfer einer schrecklichen Gewalttat. Cassie möchte Rache dafür. Erst als ihr ehemaliger Kommilitone Ryan (Bo Burnham) in ihr Leben tritt, bietet sich ihr die Möglich-keit für einen Neubeginn. Gelingt es ihr die Vergangenheit ruhen zu lassen?

Schon das reißerische Plakat des Films, eine Mischung aus „Rocky Horror Picture Show“ und einer besonders blutigen Variante des Logos der Rolling Stones, ist zutiefst provokant. Selbiges lässt sich über den Stil und die Inszenierung dieses zwischen Drama, Thriller, Parodie und tiefschwarzer Komödie angesiedelten Werks sagen, das von „The Crown“-Darstellerin Emerald Fennell stammt. Sie geht bewusst über Grenzen und nicht selten reibt man sich beim Zusehen ob der radikalen, unvermittelt auftretenden Wechsel in Sachen Stimmung und Atmosphäre verwundert die Augen. Melancholie und Tragik liegen hier manchmal nur Sekunden von beißendem Witz, Hohn oder einer unnachgiebigen Boshaftigkeit entfernt.

Die Hauptfigur ist höchst ambivalent. Einerseits fiebert man natürlich mit Cassie, der früher so ungezwungenen, lebenslustigen Frau, der die Zukunft offenstand. Anstatt dass sie als erfolgreiche Ärztin arbeitet haben die tragischen Ereignisse um Nina dafür gesorgt, dass sie in einem öden, unterbezahlten Job versauert und ihr Leben vergeudet. An ihrer Vendetta an den lüsternen, die Frauen sexuell ausbeutenden, dauergeilen Männern kann man sich zunächst nicht statt sehen – so herrlich komisch und abgedreht ist mitunter die Art und Weise, wie Cassie die Männer in ihren Wohnungen auflaufen lässt. Doch auf Dauer ermüden die ständigen Racheaktionen, die sich irgendwann nur noch wie pflichtbewusst abgespulte Episoden aneinanderreihen und doch oftmals sehr ähnlich ablaufen.

Mulligan spielt glaubhaft und vermittelt ihre innere Zerrissenheit gekonnt und ausgewogen. Weniger glaubwürdig sind der inhaltliche Seitenstrang rund um Ryan und die Tatsache, dass Cassie sich von ihm so schnell aus dem Konzept bringen und umwerben lässt. Hat sie den sich nett und sympathisch gebenden Männern, die insgeheim – so die Botschaft des Films – doch ohnehin meist nur sexuelle Ziele verfolgen, nicht eigentlich den Kampf angesagt? Bei Ryan scheinen ihre Ansichten und etablierten Verhaltensweisen nicht mehr zu gelten. Damit verwirrt Fennell, selbst wenn diese Nebenhandlung schließlich doch noch einem größeren Zweck dient.

Ein Genuss sind die bonbonfarbene Optik, das sich in Pink, Plüsch und Kitsch suhlende Produktionsdesign sowie der poppig-eingängige Soundtrack. Das alles ergänzt sich wunderbar und passt zur expressiven, exzentrischen Gesamtwirkung: von den bittersüßen, überkandidelten Songs (sie stammen unter anderem von Charlie XCX und Paris Hilton) über die markant-leuchtenden Farben von Cassies Fingernägeln und den grellen Ambiente-Lichtern der Nachtclubs bis hin zu den schrillen Kostümen.

Björn Schneider