River

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Die Welt von oben zu sehen hat sich dank technisch ausgereifter Drohnenkameras zu einem ebenso beliebten wie eindrucksvollen Stilmittel entwickelt. Auch das australische Regie-Duo Jennifer Peedom & Joseph Nizeti setzt es in „River“ intensiv ein, zeigt atemberaubende Bilder, unterlegt mit bombastischer Musik und einem bisweilen esoterisch angehauchten Kommentar.

Webseite: https://www.river-der-film.de/

Australien 2021
Regie: Jennifer Peedom & Joseph Nizeti
Buch: Robert Macfarlane, Jennifer Peedom & Joseph Nizeti
Dokumentarfilm
Länge: 75 Minuten
Verleih: Film Kino Text
Kinostart: 21. April 2022

FILMKRITIK:

Vor einigen Jahren hatte Jennifer Peedom „Mountain“ gedreht, eine Meditation über die Berge, der als erster Teil einer Trilogie über die Natur und ihr Verhältnis zum Menschen entstand. Der Nachfolger heißt „River“, beschäftigt sich mit den Lebensadern der Welt und setzt die selben Stilmittel ein, die den Vorgänger zu einem der erfolgreichsten Filme Australiens gemacht haben: Atemberaubende Aufnahmen, bombastische orchestrale Musik und die Erzählerstimme Willem Dafoes, der Texte des englischen Schriftstellers Robert Macfarlanes vorträgt.

Der hat Sätze wie „Flüsse sind der Ursprung der menschlichen Träume“ geschrieben, die sich poetisch anhören, aber nicht besonders substanziell sind. Hin und hergerissen wirken Macfarlanes Texte, mal bemüht poetisch, um nicht zu sagen esoterisch, die Kraft und Schönheit von Flüssen evozierend, ihre Bedeutung für die Menschen in kurzen Phrasen pressend, die wenig mehr als Klischees sind. Dann wieder sachlich und pragmatisch, beschreibend, wie Flüsse das Bild der Erde verändern, wie der Mensch sie eingezwängt und sie sich untertan gemacht hat.

Allzu oft ist Dafoe allerdings ohnehin nicht zu hören, meist unterlegen Peedom und Nizeti die Bilder mit bombastischer Musik von Johann Sebastian Bach, den Rhythmen von Radiohead-Gitarrist Jonny Greenwood oder den Klängen und Gesängen des indigenen australischen Musikers William Barton. In manchen Momenten erinnert „River“ hier an den Essayfilm-Klassiker „Koyaanisqatsi“, der vor 40 Jahren das Genre des Dokumentarfilms revolutionierte. Doch damals kam Regisseur Godfrey Reggio völlig ohne Worte aus, verließ sich ganz auf eine rasante Montage von Bildern, die damals noch Seltenheitswert hatten.

So radikal ist „River“ nicht, so originell kann ein Film auch kaum noch sein, da atemberaubende Bilder von Naturschauspielen in aller Welt heutzutage Standard für jede Fernsehdokumentation sind, von den stilprägenden BBC-Naturdokumentationen ganz zu schweigen. Die Spirale der Überwältigung noch eine Spur weiterzudrehen wird immer schwieriger, dank der Arbeit von oft sehr berühmten Fotografen und Dokumentarfilmkameramännern wie Yann Arthus-Bertrand, Ben Knight oder Pete McBride zeigt „River“ jedenfalls atemberaubende Bilder im Sekundentakt. Und das nicht nur von Flüssen: Auch die Ergebnisse von Flüssen sind zu sehen, tiefe Schluchten, aber auch Gletscherfelder auf Bergen und die Weiten der Ozeane. Deutlich ist hier zu merken, dass das ursprünglich Konzept Wasser lautete, das dann auf Flüsse reduziert wurde. Man mag das für ebenso willkürlich halten, wie manche Kommentare für banal, vielleicht sollte man aber auch nicht zu viel über solche Widersprüche nachdenken und sich zurücklehnen, um gut 70 Minuten atemberaubend schöne Bilder zu genießen, deren Zusammenstellung zwar oft etwas forciert wirkt, die für sich genommen aber fraglos beeindrucken.

 

Michael Meyns