She Said

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Es ist und bleibt der größte Erfolg der #metoo-Bewegung: Den vielfachen Sexualstraftäter Harvey Weinstein zu entlarven und ins Gefängnis zu bringen. Wie es dazu kam zeichnet Maria Schrader in ihrem Hollywood-Debüt „She Said“ in Form eines Doku-Dramas nach, dass beflissen ist, alles richtig zu machen und vor allem dann ergreifend ist, wenn die zahlreichen Opfer Weinsteins ihre Geschichte erzählen.

USA 2022
Regie: Maria Schrader
Buch: Rebecca Lenkiewicz nach dem Sachbuch von Jodie Kantor and Megan Twohey
Darsteller: Carey Mulligan, Zoe Kazan, Patricia Clarkson, Andre Braugher, Jennifer Ehle, Samanatha Morton, Ashley Judd

Länge: 135 Minuten
Verleih: Universal
Kinostart: 24. November 2022

FILMKRITIK:

2016. Kurz vor der Präsidentschaftswahl arbeitet die Ney York Times-Journalistin Megan Twohey (Carey Mulligan) an einem Artikel, in dem Donald Trump sexuelle Belästigung vorgeworfen wird. Die Ära von #metoo hat gerade erst begonnen, machtvolle Männer werden bisweilen unberechtigter, meist sehr berechtigterweise angeklagt, entlassen, ihrer Posten enthoben. Doch eine Geschichte wird viel größer werden als alle anderen: Die Anschuldigungen gegen den Produzenten Harvey Weinstein.
Zunächst ist es Jodie Kantor (Zoe Kazan), die Hinweise bekommt, das ein bedeutender Hollywood-Produzent immer wieder übergriffig geworden sei. Ihre Chefs Rebecca Corbett (Patricia Clarkson) und Dean Baquet (Andre Braugher) ermuntert Kantor zu recherchieren, erst allein, bald im Duett mit Twohey.

Das Problem: Keine der Frauen, die von Weinstein belästigt oder gar vergewaltigt wurden, sind willens sich zitieren zu lassen und ohne Zitate keine Story. So beginnt ein langer Prozess, bei dem Kantor und Twohey in Amerika, aber auch in England, Schauspielerinnen treffen, aber auch Mitarbeiterinnen von Weinsteins Produktionsfirma Miramax, die erschreckende, sich oft bis ins Detail ähnelnde Geschichten erzählen: Ein Ruf aufs Hotelzimmer, die unverblümte Aufforderung zu einer Massage, Druck und wenn das nicht half Drohungen oder rohe Gewalt.
Man weiß, wie die Geschichte ausgeht, Weinstein wurde zu 23 Jahren Gefängnis verurteilt, zwei weitere Verfahren stehen noch aus, aller Voraussicht wird der einstige Starproduzent im Gefängnis sterben. Dass das Ende des Films bekannt ist sollte kein grundsätzliches Problem sein, dass hat schließlich auch „Die Unbestechlichen“ nicht daran gehindert zu dem Meisterwerk über investigativen Journalismus zu werden. Gerade ein Vergleich zu Alan J. Pakulas Watergate-Film, der natürlich Inspiration für „She Said“ war und unvermeidlicher Vergleichs-Masstab ist, zeigt woran es bei Schraders Film oft mangelt.

Minutenlang konzentriert sich Pakula oft ganz auf die Gesichter seiner Stars Robert Redford und Dustin Hoffman, schaut ihnen in langen Einstellung beim recherchieren, telefonieren, beim Denken zu und fühlt sich vor allem nicht bemüßigt, mit Musik Spannung zu erzeugen. Schrader dagegen inszeniert einen meist extrem kleinteiligen Film, in dem die meisten Szenen kaum länger als anderthalb/ zwei Minuten dauern. Immer wieder sitzen Kantor und Twohey in neuen Cafés, in anderen Autos, wird das zwangsläufig Repetitive des Geschehens bemüht aufgebrochen. Und fast konstant von einer Cellolastigen Musik unterlegt, die fortwährend ein Gefühl der Bedrohung suggeriert.

Dabei wäre das gar nicht nötig gewesen, denn gerade dann, wenn sich „She Said“ auf die Erzählungen von Weinsteins Opfern konzentriert (auf Nachstellungen der Taten wird zum Glück verzichtet), gelingt es Schrader anzudeuten, welche Macht Weinstein in Hollywood ausübte, wie er seine Position nutzte und missbrauchte, um viel zu lange mit seinen Taten durchzukommen. Dass ihm viele Akteure Hollywoods und des Whos-Who von Amerika dabei zumindest wider besseren Wissens gewähren ließen ist eine andere Geschichte, die für das Hollywood-System viel gravierender wäre. Maria Schrader erzählt in ihrem Doku-Drama „She Said“ auf am Ende allzu konventionelle Weise, wie es zwei Reporterinnen gelang, die Wahrheit ans Licht zu bringen. Welche Konsequenzen für die Mächtigen Hollywoods, aber auch aus Politik oder Gesellschaft, das langfristig haben wird wird sich zeigen. Das Sachbuch der beiden NY-Times Reporterinnen endet mit einer weniger optimistischen Note: Dem gescheiterten Versuch, Brett Kavanaugh, Kandidat für einen Posten am obersten Verfassungsgericht der Vereinigten Staaten, sexuellen Missbrauch nachzuweisen. Im Film fehlt diese Episode, Hollywood bevorzugt traditionellerweise optimistische Enden.

Michael Meyns