Shutter Island

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In seiner vierten Zusammenarbeit mit Leonardo Di Caprio versucht sich Regie-Legende Martin Scorsese an einem - ja, was eigentlich? „Shutter Island“ beginnt als moderner Film Noir, bedient Thriller- und Psychodrama-Elemente, um immer mehr zu einem Verwirrspiel a la „Der sechste Sinn“ zu werden. Stilistisch zwar exzellent, insgesamt aber zu beliebig und unentschlossen, um wirklich zu begeistern.

Webseite: www.shutter-island.de

USA 2009
Regie: Martin Scorsese
Drehbuch: Laeta Kalogridis, nach dem Roman von Dennis Lehane
Kamera: Robert Richardson
Schnitt: Thelma Schoonmaker
Darsteller: Leonrado Di Caprio, Mark Ruffalo, Ben Kingsley, Max von Sydow, Michelle Williams, Elias Koteas,
Länge: 138 Min.
Verleih: Concorde
Kinostart: 25. Februar 2010
 

PRESSESTIMMEN:

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FILMKRITIK:

In seiner ersten Szene hängt Leonardo DiCaprio als US Marshall Teddy Daniels kotzend über einer Toilette. Und so geht es weiter. Mit ganzem, überaus expressivem Körpereinsatz lebt DiCaprio seine Rolle, die vierte für Martin Scorsese. Diesmal hat sich das Duo einen auf den ersten Blick ganz klassischen Genrestoff ausgesucht, der nicht zufällig an einen von Scorseses Lieblingsfilmen erinnert: Sam Fullers „Shock Corridor“. In jenem rohen B-Picture schleicht sich ein Journalist zu Recherchezwecken in eine psychiatrische Anstalt ein, nur um selbst verrückt zu werden. Und auch in „Shutter Island“ nimmt Scorsese den Zuschauer mit auf eine Reise in die Psychiatrie, lässt ihn mit Teddy Daniels Augen immer tiefer ins Unheimliche blicken.

Abgelegen von jeder Zivilisation, fern von einem Ufer, das eine normale Welt andeuten würde, liegt Shutter Island, beherrscht von mächtigen Gebäuden, die nicht nur so aussehen, als wären sie Militärkasernen. Wir schreiben das Jahr 1954, Teddy Daniels und sein neuer Partner Chuck (Mark Ruffalo) sind auf die Insel gerufen worden, um den Fall einer spurlos verschwundenen Patientin zu ermitteln. Sehr bald aber gerät die Suche nach der Patientin in den Hintergrund, offenbart Teddy den wahren Grund für sein Interesse an Shutter Island: Andrew Laeddis soll dort Patient sein, der Mann, der für den Tod von Teddys Frau und den Kindern verantwortlich ist. Doch als wäre das nicht genug, spielt der Film mit der Möglichkeit, dass in Gestalt von Dr. Naehring (Max von Sydow) ein ehemaliger Nazi-Arzt seine finsteren Experimente nun im Namen der vorgeblich freien Welt ausübt.

In diesem Stil wirft "Shutter Island" mit Themen um sich, deutet hier eine Verschwörung an, vergreift sich in Rückblenden auch noch an der Befreiung des Konzentrationslagers von Dachau, inklusive Aufnahmen eingefrorener, abgemagerter Leichen, die als reichlich plakative Ursache von Teddys Trunkenheit und latenter Gewalt fungieren. Auch eine angedeutete Debatte über die Methoden der Psychiatrie, die Mitte der 50er Jahre zwischen radikaler, irreversibler Lobotomie und massiven Einsatz von Psychopharmaka schwankte, läuft wie so vieles in diesem Film ins Leere. Sehr zäh und nur in Momenten mitreißend entwickelt sich die Geschichte, verliert sich in endlosen Rückblenden und langatmigen Dialogszenen, in denen das Gesehene mehr schlecht als recht erklärt wird. Das größte Problem des Films ist schließlich die Auflösung, der finale Twist, der alles zuvor Gesehene in anderem Licht erscheinen lässt. Womit dann auch jegliche angedeutete Vielschichtigkeit mit einem Schlag hinfällig ist.

Die Schwächen der Geschichte sind umso bedauerlicher, da „Shutter Island“ stilistisch über weite Strecken brillant ist. Mit Hilfe seiner langjährigen Mitarbeiter zitiert sich Scorsese durch die Filmgeschichte, lässt bedrohliche Räume entstehen, evoziert mit perfekt eingesetzten filmischen Mitteln eine bedrohliche Atmosphäre, nur das diese eben durch wenig Substanz unterfüttert wird. Da helfen auch eine ganze Riege erstklassiger Schauspieler in zum Teil winzigen Rollen wenig, gegen ein so unentschlossenes Drehbuch, können auch sie nichts ausrichten.

Michael Meyns

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