Stille Post

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Der Kampf der Kurden um ihre Unabhängigkeit. Einer der vielen mehr oder weniger vergessenen Konflikte, die in den Medien kaum Aufmerksamkeit bekommen. Ein Missstand, den Florian Hoffmann mit seinem Debütfilm „Stille Post“ etwas geraderücken möchte, ein dichtes, etwas überkonstruiertes Drama, dass interessante Fragen aufwirft.

Deutschland 2021
Regie & Buch: Florian Hoffmann
Darsteller: Hadi Khanjanpour, Kristin Suckow, Zübeyde Bulut, Vedat Erincin, Jeanette Hain, Jacob Matschenz

Länge: 95 Minuten
Verleih: Across Nations/ Barnsteiner Film
Kinostart: 15. Dezember 2022

FILMKRITIK:

Khalil (Hadi Khanjanpour) ist in Deutschland angekommen. Er lebt in Berlin Kreuzberg, unterrichtet an einer Grundschule und ist mit der Journalistin Leyla (Kristin Suckow) zusammen. Seine kurdische Herkunft spielt für ihn kaum noch eine Rolle, er lebt säkular, den oft blutigen Konflikt, der seit Jahren vor allem im Osten der Türkei schwelt, ignoriert er so gut es geht.

Das ändert sich, als Leyla ein Video aus der Stadt Cizre, nahe der syrischen Grenze gelegen, mit nach Hause bringt, auf der Khalil seine totgeglaubte Schwester zu erkennen glaubt. Doch wie soll er einen Kontakt in das Kriegsgebiet herstellen, wie soll er Sicherheit darüber bekommen, ob seine Schwester tatsächlich noch am Leben ist?
Die kurdische Exilgemeinde scheint helfen zu können, verspricht, Nachforschungen anzustellen, allerdings unter einer Bedingung: Khalil soll über seine Freundin dafür sorgen, dass die brutalen Bilder vom Kriegsschauplatz in den deutschen Nachrichten gesendet werden. Denn für den Konflikt im Osten der Türkei interessiert sich in der deutschen Öffentlichkeit niemand mehr, allein drastische Bilder könnten das eventuell ändern.

Autor und Regisseur Florian Hoffmann wuchs selbst in Berlin-Kreuzberg auf, hat türkische und kurdische Freunde, bekam so mehr vom seit langem schwelenden Konflikt im Osten der Türkei mit, als viele Deutsche. Mit hehren Intentionen machte er sich also an die Arbeit zu seinem Spielfilmdebüt, Intentionen, die man „Stille Post“ ansieht. Viele Themen werden angerissen, viel soll vermittelt, viel gesagt werden, vielleicht etwas zu viel.

Schematisch stellt Hoffmann seine Figuren auf, die dadurch bisweilen zu bloßen Funktionsträgern werden. Da ist etwa der ältere kurdische Mann Cihan, der einst aktiv am Konflikt beteiligt war, nun aber in Ruhe gelassen werden will. Seine Enkelin dagegen sieht sich in der Schule der Diskriminierung durch türkische Kinder ausgesetzt, die patriotische Parolen ihrer Eltern wiederholen.

Und dann die Medien: Für eine Nachrichtenagentur arbeitet Leyla, versucht einerseits objektiv zu agieren, wirft andererseits in Windeseile jeden journalistischen Ethos über Bord, wenn es darum geht, Khalil zu unterstützen. Wie sie das Video aus Cizre (übrigens reale Bilder aus dem Kriegsgebiet in der Türkei, die Online kursierten) mit Toneffekten und gezielten Schnitten dramatisiert, es quasi aufpeppt, um einen größeren Effekt zu erzielen, sind Wasser auf die Mühlen derjenigen, die den Medien gezielte Manipulation vorwerfen, sie allzu pauschal als Lügenpresse diffamieren.

Dabei sind die Fragen, die „Stille Post“ hier anreißt relevant: Wie können Bilder von einem Konflikt durchdringen, wenn es diverse andere Konflikte gibt, die aktueller, dramatischer, ja, blutiger ablaufen? Warum interessiert sich die Öffentlichkeit mehr für diesen und nicht für jenen Konflikt? Vor allem als Diskussionsgrundlage funktioniert „Stille Post“, der sein Herz am richtigen Fleck trägt, seine Intentionen aber etwas zu didaktisch vorträgt.

 

Michael Meyns