The Innocents

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Kinder sind grausam – eine Erkenntnis, die die nordische Ko-Produktion „The Innocents“ nicht erfindet, wohl aber zum Kern der Geschichte macht. Sie mögen unschuldig aussehen, aber auf den Spielplätzen dieses Films braut sich etwas zusammen. Denn einige Kinder entwickeln hier ungeahnte Kräfte, und eines von ihnen war zuvor schon kein netter Mensch. Der naturalistische Horrorfilm punktet, weil sein Fundament so realistisch ist

Website: https://www.capelight.de/

De uskyldige
Norwegen, Schweden, Dänemark, Finnland, Frankreich, Großbritannien 2021
Regie + Buch: Eskil Vogt
Darsteller: Rakel Lenora Fløttum, Alva Brynsmo Ramstad, Sam Ashraf
Länge: 115 Minuten
Verleih: Capelight Pictures
Kinostart: 14. April 2022

FILMKRITIK:

Die kleine Ida quält ihre autistische Schwester Anna gerne. Sie tötet Regenwürmer. Und sie lernt den ebenso kleinen Ben kennen, der auch seinen Spaß daran hat, Anna wehzutun. Die beiden haben sich gesucht und gefunden. Ein kleines Kätzchen packen sie, bringen es im Treppenhaus nach oben und werfen es einfach hinunter. Aus purem Spaß. Ben zeigt Ida im Wald, was er kann: Es gelingt ihm, einen Stein mit bloßer Gedankenkraft zu steuern. Aisha versteht wiederum Anna, die sich sonst nicht mitteilen kann. Und ihrer aller Kräfte wachsen, nur Ida hat keine. Für Ben sind diese Kräfte ein Katalysator. Er kann nun tun und lassen, was er will. Seine Mutter bekommt das als erstes zu spüren.

Eskil Vogts Film ist langsam erzählt. Man muss Geduld mitbringen, aber das ist lohnend, denn „The Innocents“ ist ein eindringlicher, vor allem wegen seines realistischen Ambientes überzeugender Film. Die Kräfte sind hier nur Mittel zum Zweck. Die Geschichte hätte so ähnlich auch ohne jedwedes fantastische Element ablaufen können. Weil es um die kompromisslose Grausamkeit geht, der sich Kinder hingeben. Was sie tun, kann als böse angesehen werden. Auf jeden Fall fehlt jeder moralische Kompass. Wenn man einen Regenwurm töten will, dann tut man es auch. Kein Kind ist wohl frei davon, Derartiges getan zu haben. Das macht „The Innocents“ so prägnant, weil er den Zuschauer dort trifft, wo es weh tut – tief in seiner Seele.

Der Titel ist dabei der reinste Hohn. Die Unschuldigen, das sind diese Kinder nicht, auch wenn mit Aisha ein positiver Gegenpol gesetzt ist, und Ida im Verlauf der Geschichte die Wandlung eines normalen Kindes durchmacht. Denn diese grausame Ader vergeht irgendwann, nur bei einem Soziopathen bleibt sie.

Es gibt Szenen in diesem Film, die sind schmerzhaft und kaum zu ertragen. Bei anderen brodelt es unter der Oberfläche. Es sind Elemente von Geschichten wie Stephen Kings „Feuerteufel“, die hier bemüht werden, aber das auf eine absolut naturalistische Art und Weise. Der Film wirkt glaubwürdig, weil er die Szenen mit phantastischem Gehalt nie über Gebühr beansprucht, im letzten Akt aber eine erstaunliche Dringlichkeit aus ihnen herauskitzelt. Denn wenn alles gesagt und getan ist, stehen sich die Kinder wie Western-Figuren beim Duell gegenüber. Ein Duell, das im Geist ausgetragen wird und jenen die Unschuld zurückgibt, die drohten, sie zu verlieren.

„The Innocents“ ist ein starker Genre-Beitrag – für Fans des Phantastischen ebenso zu empfehlen wie für jeden, der ein handfestes Drama sehen will, zumal die kindlichen Darsteller allesamt hervorragend sind.

 

Peter Osteried