The Last Duel

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Mit seinem neuesten Film „The Last Duel“ schließt Ridley Scott ein wenig den Kreis – hin zu seinem Erstling „Die Duellisten“. In beiden Fällen geht es um ein Duell, in beiden wird große Wert auf die Authentizität gelegt. Hier erzählt Scott die Geschichte einer Vergewaltigung und das durch sie ausgelöste Duell aus drei verschiedenen Perspektiven. Ein interessanter Film, der mit einer Geschichte über die Vergangenheit etwas über die Gegenwart aussagt.

Website: https://disney.de/filme

USA 2021
Regie: Ridley Scott
Buch: Nicole Holofcener, Ben Affleck, Matt Damon
Darsteller: Jodie Comer, Matt Damon, Adam Driver, Ben Affleck
Länge: 153 Minuten
Verleih: Walt Disney
Kinostart: 14.10.2021

FILMKRITIK:

Jean de Carrouges (Matt Damon) ist ein Mann, der fest in dem Glauben ist, was ihm zusteht und dafür auch Anklage gegen seinen Grafen Pierre (Ben Affleck) erhebt. Er ist jemand, der einst mit Jacques Le Gris (Adam Driver) befreundet war, der dessen Aufstieg aber missgünstig beobachtet hat. Als er erfährt, dass Le Gris seine Frau Marguerite (Jodie Comer) geschändet hat, fordert er Genugtuung, wobei der Beschuldigte jede Schuld abstreitet. Ein Gottesurteil, das durch ein Duell der beiden Männer entschieden werden soll, ist die Folge. Wer überlebt, hatte Gott auf seiner Seite und ist im Recht, wer stirbt, ist schuldig.

Das Skript zu „The Last Duel“ war das erste, das Ben Affleck und Matt Damon nach „Good Will Hunting“ zusammengeschrieben haben. Sie holten die renommierte Autorin Nicole Holofcener ins Boot, da sie für den dritten Akt eine weibliche Perspektive wollten. Ihr Skript ist in drei Kapitel unterteilt und der jeweiligen Wahrheit des Protagonisten verpflichtet. Erst der von Jean de Carrouges, dann der von Jacques Le Gris, schließlich der von Marguerite de Carrouges. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die letzte Wahrheit auch die einzig gültige ist.

Es ist interessant, wie die gleichen Ereignisse aus anderer Perspektive erscheinen. Dialoge wechseln denjenigen, der sie spricht, Nuancen fallen auf, die die Rivalität der beiden Männer unterstreichen. Szenen, die es zuvor nicht gab, erweitern das Mosaik dieser Geschichte. Es ist eine faszinierende Geschichte, vom großen Schauspiel getragen, um Authentizität bemüht, aber auch ein wenig mäandernd. Ridley Scotts Historiendrama ist ein überlanger Film. Momente des Leerlaufs stellen sich ein. „The Last Duel“ hätte ein wenig kompakter sein können. Es hätte ihn wohl packender gemacht.

Aber auch in der zweieinhalb Stunden langen Version hat der Film seinen Reiz. Weil er mit der Wahrnehmung der Wahrheit und dem subjektiven Fokus darauf spielt, vor allem aber auch, weil er eine Geschichte erzählt, die zwar mehr als 600 Jahre zurückliegt, aber von dringlicher Aktualität ist. Der Prozess, bei dem Marguerite de Carrouges mit demütigenden Fragen malträtiert wird, erinnert nur daran, dass Vergewaltigungsprozesse heutzutage auch nicht sehr viel anders ablaufen. Man wirft ihr vor, sie hätte einmal gesagt, Jacques Le Gris sei ein gutaussehender Mann. Also könnte es nicht statt einer Vergewaltigung nur ein Traum gewesen sein, den sie lebhaft spürte? Oder war es gar so, dass sie Lust dabei empfunden hat? Es sind schmerzhafte Szenen, die emotional aufwühlen, getragen von einer überragenden Jodie Comer, die mit ihrem subtilen Spiel das Highlight von „The Last Duel“ darstellt.

Sie ist auch die einzige Figur, mit der der Zuschauer Sympathie empfinden kann. Denn ihr Mann ist kleingeistig und grobschlächtig, ihr Angreifer gibt sich freundlich, erkennt aber nicht mal die eigenen Missetaten.

Am Ende folgt das Duell, bei dem Scott sehr genau die historischen Texte studiert hat und den Kampf authentisch umsetzt. Das kommt mit brachialer Gewalt daher. So intensiv wie hier wurde der Kampf zweier Männer selten dargestellt.

Ganz ohne Schwächen kommt Ridley Scotts neuestes Werk nicht daher, ein großer Film ist „The Last Duel“ aber dennoch. Weil es ihm gelingt, mit einer Geschichte über die Vergangenheit etwas über die Gegenwart auszusagen.

Peter Osteried