The Painted Bird

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Kino als Durchhaltetest. Ein wenig mutet Václav Marhouls „The Painted Bird“ wie ein Versuch an, den Zuschauer mit einer schier endlosen Aneinanderreihung von kaum vorstellbaren Grausamkeiten auf die Probe zu stellen. Basierend auf dem Roman von Jerzy Kosinski beschreibt Marhoul die Grauen, die ein jüdischer Junge während des Zweiten Weltkriegs durchleidet, stilistisch brillant, aber oft schwer zu ertragen.

Website: www.cinemaobscure.org/2020/12/ThePaintedBird.html

Nabarvené ptáce
Tschechien/ Slowakei/ Ungarn 2019
Regie: Václav Marhoul
Buch: Václav Marhoul, nach dem Roman von Jerzy Kosinski
Darsteller: Petr Kotlár, Nina Shunevych, Alla Sokolova, Udo Kier, Stellan Skarsgård, Harvey Keitel, Julian Sands, Barry Pepper
Länge: 169 Minuten
Verleih: Drop-Out-cinema
Kinostart: 9.9.2021

FILMKRITIK:

Als autobiographischer Roman wurde Jerzy Kosinskis „The Painted Bird“ 1965 veröffentlicht, wurde von manchen als eindrückliche Beschreibung der Leiden eines jüdischen Polen während des Zweiten Weltkriegs beschrieben, von anderen als platte, antipolnische Propaganda. Im Lauf der Jahre kamen immer wieder Plagiatsvorwürfe auf, von nicht ins Englische übersetzten Vorkriegsromanen soll Kosinski abgeschrieben haben, die Biographien anderer Menschen – vielleicht sogar Episoden aus dem Leben seines Freundes Roman Polanski – verwendet haben, letztendlich gab Kosinski zu, dass sein Roman eher als Autofiktion denn als autobiographisch bezeichnet werden sollte. 1991 nahm sich Kosinski in New York das Leben.

Der tschechische Regisseur Václav Marhoul adaptierte den Roman nun zu einem fast dreistündigen Epos, in kargem, gestochen scharfem schwarz-weiß gefilmt, eingeteilt in Kapitel, die nach den Erwachsenen heißen, die den kleinen Joska (Petr Kotlár) jeweils...nun, wie soll man es nennen? Betreuen wäre gelogen, auf ihn aufpassen zu viel gesagt. Misshandelt und missbraucht wird Joska im Laufe eines Stationendramas, das ihn durch das Polen des Zweiten Weltkriegs führt, wo er als jüdisches Kind weniger wert ist als ein Tier.

Es sind grausame Bilder, die Marhoul zeigt, einmal ist Joska etwa komplett begraben, nur sein Kopf schaut heraus und blickt besorgt um sich, als Krähen sich im hackend nähern. Doch auch andere Menschen erleiden Grausames, eine Frau wird mit einer Flasche vergewaltigt, von den schier „normal“ anmutenden Grauen eines Vernichtungskriegs ganz zu schweigen. Mit größter stilistischer Strenge zeigt Marhoul die Leiden des jungen Joska, die sich in teils atemberaubend schönen Landschaften, auf sonnendurchfluteten Feldern, malerischen Lichtungen zutragen.

Dass seine Peiniger bisweilen von internationalen Schauspielern wie Udo Kier, Stellan Skarsgård, Harvey Keitel oder Julian Sands gespielt werden, mutet ein wenig seltsam an, ist zwar der schwierigen Finanzierung eines solchen Projekts geschuldet, durchbricht jedoch immer wieder das immersive Erlebnis, zumal sie überdeutlich synchronisiert sind.

Wenn es Marhoul darum ging, die Grauen des Krieges so realistisch wie nur irgend möglich abzubilden, muss man ihm größten Erfolg bescheinigen. Ähnlich wie Elem Klimows Klassiker „Komm und Sieh“ ist es auch in „The Painted Bird“ eines der schwächsten Glieder der Gesellschaft, das den Grauen des Krieges besonders hilflos ausgeliefert ist. Der große Unterschied ist, das Marhoul seinem Protagonisten ein erstaunlich hoffnungsvolles Ende gönnt, das am Ende einer Odyssee der Grausamkeit, einen Keim der Menschlichkeit pflanzt. Ein stilistisch außerordentlicher Film, der seinem Publikum jedoch sehr viel zumutet.

Michael Meyns