Tod auf dem Nil

Zum Vergrößern klicken

Kenneth Branaghs zweite Detektivarbeit als Hercule Poirot wurde häufig verschoben – erst, weil die Dreharbeiten länger dauerten, dann wegen der anhaltenden Pandemie. Gut zwei Jahre nach dem Ende der Dreharbeiten ermittelt Hercule Poirot nun auf einem Schiff auf dem Nil. Elegant gespielt, prächtig ausgestattet und auf 65mm-Film auch wundervoll aussehend, ist „Tod auf dem Nil“ aber deutlich behäbiger erzählt als „Mord im Orient-Express“.

Website: www.20thcenturystudios.com/movies/death-on-the-nile

Death on the Nile
USA 2022
Regie: Kenneth Branagh
Buch: Michael Green
Darsteller: Kenneth Branagh, Gal Gadot, Armie Hammer, Rose Leslie, Emma Mackey, Letitia Wright, Annette Bening
Länge: 127 Minuten
Verleih: 20th Century Studios
Kinostart: 10. Februar 2022

FILMKRITIK:

Eher zufällig trifft Bouc in Ägypten auf Hercule Poirot – im Orient-Express wurden beide Freunde. Bouc ist zu einer Hochzeit zugegen, der der extrem reichen Linnet (Gal Gadot) mit dem Amerikaner Simon Doyle (Armie Hammer). Dessen Ex-Verlobte Jacqueline (Emma Mackey) sucht die beiden jedoch immer wieder heim. Sie schafft es sogar, sich Zutritt zu dem Schiff zu verschaffen, mit dem die Feiergemeinde den Nil entlangfährt. Linnet fühlt sich bedroht, Hercule Poirot soll helfen, aber letztlich kommt er zu spät. Als ein Mord geschieht, muss Poirot wieder kombinieren. Er ist dem Mörder auf der Spur.

Es hat schon immer etwas gedauert, bis der Tod auf dem Nil auch wirklich eintritt – sowohl in Agatha Christies Vorlage, als auch in den verschiedenen Verfilmungen. Bei Branaghs Version hat man jedoch das Gefühl, dass es noch länger als üblich dauert, bis die Geschichte endlich in Gang kommt. Das liegt nicht nur daran, dass die Vorgeschichte der Figuren schmerzhaft ausführlich erzählt wird, sondern dem Film auch noch ein Prolog im Jahr 1914 vorangestellt ist, der zeigt, wie Hercule Poirot erstmals genial kombinierte und seine ganze Kompanie, die eine Brücke aus feindlicher Hand befreien sollte, retten konnte.

Was Branagh geritten hat, diese Passage auch noch zu integrieren? Es ist nur schwer zu sagen, die Erklärung, wieso Hercule Poirot diesen extravaganten Bart trägt, wird hier zwar geboten, gebraucht hätte es sie aber nicht.

Überhaupt ist Branagh ein wenig zu sehr davon fasziniert, Poirot zu dekonstruieren, indem er dem brillanten Detektiv eine Hintergrundgeschichte verpasst, die dieser gar nicht nötig hat. Es braucht sie schlichtweg nicht, das Kernstück einer jeden Geschichte rund um Poirot sind die Verhöre, die er führt, und die ihn immer näher zur Enthüllung des Mörders führen.

Der Film hält sich nahe an die Vorlage, eliminiert jedoch die Rolle eines Colonels, mit dem Poirot zusammenarbeitet. Stattdessen bringt man die Figur Bouc aus „Mord im Orient-Express“ zurück. Diese Veränderung wirkt organisch, sie verbindet beide Filme und verleiht Poirot einen Hauch von Menschlichkeit – weit mehr, als es der überflüssige Prolog und die später unter Alkoholeinfluss gegebene Erklärung über das Schicksal von Poirots großer Liebe tun.

Der Film sieht prächtig aus. Wie beim Vorgänger hat Branagh auch hier auf 65mm-Film gesetzt. Die Ausstattung, die Kostüme, die Frisuren, alles ist perfekt, erlesen, einfach eine Pracht für die Augen. Aber leider ist die Erzählung langatmig. Es dauert zu lange, bis die eigentliche Geschichte beginnt. Das strapaziert die Geduld über Gebühr. Es mag der Vorlage entsprechen, der Umstand dieses lähmend langsamen Einstiegs ist aber auch eine Schwäche des Romans.

Peter Osteried