Trümmermädchen – Die Geschichte der Charlotte Schumann

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„Trümmermädchen – Die Geschichte der Charlotte Schumann“ ist der Abschlussfilm, den Autor und Regisseur Oliver Kracht an der Filmakademie Baden-Württemberg abgeliefert hat. Er spielt im Jahr 1946 – der Stunde Null des neuen Deutschlands, in dem erst wieder aufgebaut werden muss, was vernichtet worden ist. Aber eine Schauspiellehrerin will ihren Schülerinnen etwas anderes als bloßes Schauspiel auf den Weg mitgeben. Ein Gefühl dafür, in dieser neuen Zeit eine neue Rolle einzunehmen und sich nicht mehr vom Patriarchat vereinnahmen zu lassen

Website: https://ucm.one/de/truemmermaedchen-die-geschichte-der-charlotte-schumann/

Deutschland 2021
Regie: Oliver Kracht
Buch: Oliver Kracht
Darsteller: Laura Balzer, Valery Tscheplanova, Anna Gesa-Raija Lappe, Katja Hutko
Länge: 120 Minuten
Verleih: UCM.ONE
Kinostart: 24. März 2022

FILMKRITIK:

Deutschland im Jahr 1946: Es ist der Anfang einer neuen Zeitrechnung, aber sie geht einher mit Hunger, Trümmern, heimkehrenden Soldaten, die kaum noch mit den Männern vergleichbar sind, die einst in den Krieg gezogen sind. Charlotte ist schwanger, ihr Heimkehrer will aber weder sie, noch sein Kind. Sie hofft, ihn für sich gewinnen zu können und schreibt sich darum beim „Fräuleinkurs“ der Schauspielerin Gloria Deven auf, die mit Berufsverbot belegt ist. Doch Gloria will in den jungen Frauen, die ihr zuhören, etwas anderes entfachen, als nur die Kunst des Schauspiels oder der Verführung. Sie will ihnen ein Gefühl davon geben, dass sie etwas haben können, das das Patriarchat nie für sie vorgesehen hat: Freiheit.

Oliver Kracht erzählt vom aufkeimenden Feminismus, von einem Drang nach Freiheit in einer Zeit, als alles möglich schien, und vieles doch unmöglich war. Ihm lag daran, einen feministischen Film zu machen. Für sein Drehbuch erhielt er 2019 schon den Thomas-Strittmacher-Preis. Bei der Umsetzung ohne Einfluss durch die Produzenten konnte er seiner eigenen Vision folgen. „Nur so war in jedem Department freies Arbeiten ohne Rücksicht auf Verluste möglich, wollten wir schließlich einen Kinofilm produzieren, der radikal und kompromisslos hinterfragt, ob wir wirklich so viel weiter sind mit dem Patriarchat und/oder faschistischen Strukturen seit 1946“, erklärt Kracht.

Das ist ein hehrer Ansatz, dem auf Papier auch gerechter Furor innewohnt, aber die filmische Umsetzung kann dem nicht ganz gerecht werden. Zwar stellt sich Kracht in den Auftrag der guten Sache, aber der Eindruck kommt auf, dass er das Thema seines Films auch zur eigenen Profilierung nutzt. Sein Film ist schön gemacht, in jeder Szene ist der Wunsch des Regisseurs erkennbar, zeigen zu wollen, was er filmisch alles machen kann. So spielt er auch mit dem Element des Schwarzweißen – jenem Look, den man mit der Zeit des Jahres 1946 gemeinsetzt. Aber es gelingt ihm nicht, sich hinter die Geschichte einzureihen.

Er möchte ein Fanal des Feminismus sein, aber auf einer Metaebene erhält man den Eindruck, dass der Künstler seine weiblichen Protagonistinnen ausnutzt. Die Frage, ob wir seit 1946 so weit gekommen sind, muss in seiner Gesamtheit wohl eher verneint werden. Weil ein Film wie dieser, eine Geschichte wie diese, nicht aus einer männlichen Sensibilität heraus erzählt werden sollte.

 

Peter Osteried