Das Familienfoto

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Es ist nicht einmal ein Familienfoto, das in diesem Film seine besondere Bedeutung erlangt, sondern nur eines der drei Kinder, die ihre Sommerferien immer bei ihrer Großmutter verbracht haben. Die ist mittlerweile dement und würde von ihrem Sohn ins Heim abgeschoben, wenn seine Töchter sich der alten Dame nicht annehmen würden. Weniger eine Komödie, als vielmehr ein intensives Drama, das mit seiner Wahrhaftigkeit lange nachwirkt.

Webseite: www.DasFamilienfoto.de

Photo de famille
Frankreich 2018
Regie & Drehbuch: Cecilia Rouaud
Darsteller: Vanessa Paradis, Camille Cottin, Pierre Deladonchamps, Jean-Pierre Bacri, Chantal Lauby
Länge: 98 Minuten
Verleih: Alamode Film
Kinostart neu: 16. Mai 2019

FILMKRITIK:

Alles beginnt mit einer Beerdigung. Ein Mann ist gestorben und seine Frau, Mutter von Pierre und Großmutter von Elsa, Gabrielle und Mao, erklärt, dass sie dort sterben möchte, wo sie immer am Glücklichsten war: in Saint-Julien. Die demente alte Dame erinnert sich kaum noch an etwas, nur daran, dass ihr dieser Ort etwas bedeutete. Da die Oma aber nicht alleine leben kann, bereitet Pierre alles dafür vor, sie ins Heim zu bringen. Doch Elsa und Gabrielle wollen das nicht zulassen und nehmen die alte Dame zu sich, ohne wirklich bedacht zu haben, welche Verantwortung es ist, einen verwirrten Menschen wie sie zu betreuen, zumal ihrer aller eigenes Leben auch mit Problemen gepflastert ist, die ihren Ursprung in ihrer Jugend haben.
 
Es gibt Momente, da lacht man tatsächlich, in erster Linie ist „Das Familienfoto“ aber wirklich keine Komödie, sondern ein sehr glaubhaftes Drama, das es versteht, dank komplexer und ausgefeilter Figuren die Geschichte voranzutreiben. Man hat hier die Definition einer dysfunktionalen Familie. Geschiedene Eltern, die sich kaum etwas zu sagen haben, Kinder, die getrennt voneinander aufwuchsen, und Erziehungsmethoden, die wohl den 68ern entspringen. Denn, wie Mao – was für ein Name! – so treffend seiner Psychologin erklärt, ist seine Familie eine, bei der sogar die Kuscheltiere sterben. Eine Erinnerung an seine Jugend, als seine Mutter seinen Teddybären begraben hat. Vielleicht, um ihrem Sohn ein Verständnis für den Tod zu vermitteln, vielleicht, weil sie dachte, es würde ihm helfen. Aber das Leben aller Kinder ist verkorkst – auf die eine oder andere Art und Weise.
 
In „Das Familienfoto“ geht es aber auch um das Erinnern, haben die längst erwachsenen Kinder doch allesamt vergessen, was ihnen die Sommer in Saint-Julien bedeutet haben. Das ist etwas, das diese drei Menschen, die sich im Lauf der Jahre fremd geworden sind, wieder zusammenführt, bis hin zum schönen Schlussmoment, der noch einmal auf den Titel des Films verweist. Aber was die Geschwister hier tun, ist im Grunde nur das zweitbeste dessen, was möglich gewesen wäre, weil ihre eigentliche Idee nicht mehr umsetzbar war. So erzählt der Film auch davon, dass es für manches im Leben zu spät ist, aber immer auch ein Neuanfang möglich ist, wenn man nicht länger in seinem Leben stillsteht, sondern zu etwas Bewegung bereit ist.
 
Es gibt ausgesprochen emotionale Momente, die je nach persönlichem Erlebnishorizont des Zuschauers wirken, aber kaum jemand wird wohl von dem, was er in „Das Familienfoto“ sieht, kaltgelassen. Denn was der Film auch zeigt, ist eine typische Familie, wie jeder sie kennt – mit allen Ecken und Kanten, aber auch dem Gefühl, dass bedingungslose Liebe vorhanden ist.
 
Peter Osteried