Mathilde

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Ein russischer Thronfolger, hin- und hergerissen zwischen zwei Frauen, gefangen zwischen Politik und Liebe. Lars Eidinger ist hier als russischer Zar Nikolaus II. zu sehen, der sich in eine schöne, lebenslustige Primaballerina verguckt, auf Geheiß des Hofes aber eine deutsche Prinzessin heiraten soll. Beeindruckendes Epos mit vielen Schauwerten und einer überlebensgroßen Liebesgeschichte.

Webseite: www.kinostar.com

Russland 2017
Regie: Alexei Uchitel
Darsteller: Lars Eidinger, Michalina Olzszanka, Luise Wolfram, Danila Kozlowskj
Länge: 110 Min.
Verleih: Kinostar
Kinostart: 2.11.2017

FILMKRITIK:

Er war der letzte Zar Russlands: Nikolaus II. Alexandrowitsch. Doch um seine Zeit als Kaiser, immerhin von 1894 bis 1917 oder um seine Ermordung und die seiner ganzen Familie im Juli 1918 wird es in diesem Historienepos von Alexey Uchitel nicht gehen, darauf lässt schon der Filmtitel schließen. „Mathilde“ ist vielmehr die Geschichte einer überlebensgroßen Liebe – einer Liebe, die sich gegen alle Widerstände zu behaupten sucht und doch zum Scheitern verurteilt ist. Der Grund: Gegen das eng gesteckte Korsett der Konventionen am Zarenhof kommt der Einzelne nicht an. Doch zunächst beginnt „Mathilde“ als Katastrophen-Film mit einer bemerkenswerten Action-Szene, die jenen aus „Alarmstufe Rot 2“ und „Super 8“ in nichts nachsteht. Zar Alexander III. ist mit seiner Familie mit dem Zug unterwegs. Doch bei einem Bahnübergang bleibt ein Bauer mit seinem Eselskarren stecken – es kommt zur Kollision, der Zug entgleist, die Waggons rattern die Böschung hinunter und verkeilen sich ineinander. Bei der nun folgenden Rettungsaktion strengt sich Alexander III. so sehr an, dass er fortan auf einen Rollstuhl angewiesen ist und die Regierungsgeschäfte nicht mehr führen kann.
 
Nikolaus II., dargestellt von Lars Eidinger, ist der Thronfolger, zur Krönung soll er aus Gründen der Staatsräson die deutsche Prinzessin Alix von Hessen-Darmstadt, später bekannt als Alexandra, heiraten. Doch Nikolaus ist, der Zuschauer weiß es schon längst, anderweitig verliebt: in Mathilde Kshessinsksa., eine schöne, lebenslustige Primaballerina (übrigens eine der besten ihrer Zeit), die eine fast schon magnetische Anziehung auf Männer ausübt. Bei einer Ballettaufführung nimmt sie Nikolaus fest in den Blick, und als ihr eine eifersüchtige Kollegin den Träger aufknotet, so dass die linke Brust zum Vorschein kommt, tanzt sie selbstbewusst weiter. Sie weiß, dass sie angeschaut wird, und sie genießt es.  Dem Hof ist die Liaison zwischen Thronfolger und Tänzerin allerdings nicht recht. Als Alexander stirbt, treibt darum seine Witwe die Eheschließung zwischen Nikolaus und Alix voran.
 
„Mathilde“ ist ein Fest für die Augen – beeindruckendes Ausstattungskino, bei dem nicht gespart wurde. Uchitel drehte in den ehemaligen Zarenpalästen in Sankt Petersburg, im Mariinsky-Theater und im Bolschoi. Sets wie der Katharinenpalast (wo ein Maskenball gefeiert wird) und die Mariä-Entschlafens-Kathedrale (wo Nikolaus gekrönt wird) wurden aufwändig nachgebaut. Nicht zu vergessen die Katastrophe in Khodynka, wo anlässlich der Krönung 100.000 Menschen erwartet wurden und beschenkt werden sollten. Es kamen eine halbe Million Schaulustige, bei der Massenpanik starben 2000 Menschen. Das macht aus „Mathilde“ ein Epos der Attraktionen, die den zugrunden liegenden Konflikt aber nicht überdecken. Nikolaus ist ein Mann zwischen zwei Frauen, die er beide aufrichtig liebt, zwischen Staatsraison und privatem Glück versucht er eine Lösung zu finden. Lars Eidinger macht diesen Zwiespalt beeindruckend deutlich. Die steifen Uniformen, die er als Zar tragen muss, zwingen ihn förmlich in seine Rolle.
 
Michael Ranze