Wolfskinder

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Nach „Lore“ der zweite Film innerhalb kurzer Zeit, der sich mit dem heute oft vergessenen Schicksal von Kindern in der unmittelbaren Nachkriegszeit befasst. Der Regisseur Rick Ostermann zeigt in „Wolfskinder“ die Odyssee zweier Brüder, die nach dem Hungertod ihrer Mutter auf der Flucht vor der Roten Armee völlig auf sich allein gestellt sind. In seiner Intensität und Härte stellenweise schwer erträglich, ist „Wolfskinder“ nicht nur ein großartig inszenierter, sondern auch ungemein wichtiger Film.

Webseite: www.wolfskinder-derfilm.de

Deutschland 2013
Buch und Regie: Rick Ostermann
Darsteller: Levin Liam, Helena Phil, Jördis Triebel, Vivien Ciskowska, Patrick Lorenczat
Produktion: Zum Goldenen Lamm Filmproduktion
Länge: 91 Minuten
Verleih: Port-Au-Prince Pictures, Vertrieb: Barnsteiner Film
Kinostart: 28. August 2014
 
die aufwendig recherchierte Geschichte elternloser deutscher Kinder, die 1946 in den ostpreußischen Wäldern ums nackte Überleben kämpften. In oft drastischen, ungeschönten Bildern erinnert der Film an ein dunkles Kapitel europäischer Geschichte.

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Pressestimmen:

"Die aufwendig recherchierte Geschichte elternloser deutscher Kinder, die 1946 in den ostpreußischen Wäldern ums nackte Überleben kämpften. In oft drastischen, ungeschönten Bildern erinnert der Film an ein dunkles Kapitel europäischer Geschichte."
Cinema

"Regisseur und Autor Ostermann weckt die Erinnerung an ein historisch verbürgtes Thema und erzählt zugleich die zeitlose Geschichte von Kindern zwischen militärischen Fronten, schuldlos und schutzlos den weltpolitischen Konflikten ausgeliefert. Gerade dieser Tage kann ein Bewusstsein dafür nicht schaden."
Der Tagesspiegel

FILMKRITIK:

Sommer 1946. An der Grenze zwischen Ostpreußen und Litauen irren zehntausende Kinder allein durch die Wälder. Viele wurden während der Flucht von ihren Eltern getrennt, die meisten sind Waisen. So auch Hans und sein kleiner Bruder Fritzchen. Seine sterbende Mutter hat Hans den Auftrag gegeben, ihn sicher zu einem Bauernhof nach Litauen zu bringen, wo ihnen geholfen wird. Aber auf der Flucht werden die beiden getrennt, Hans schließt sich notgedrungen einer anderen Gruppe von Kindern an. Sie ernähren sich von Beeren, Fröschen und dem rohen Fleisch eines Huhns. Sie werden von Bauern verjagt und von Soldaten gehetzt.
 
Rick Ostermann arbeitete zunächst als Assistent von Lars Kraume und Matthias Glasner. Diese Schule macht sich bei seinem Regie-Debüt vor allem in einer furchtlosen Gestaltung bemerkbar. „Wolfskinder“ transportiert seine Geschichte über die Bilder und die Bilder allein. Worte, Dialoge bleiben im Hintergrund, auf eine historische Einordnung mittels Texttafeln verzichtet er ganz. Stellenweise bleibt das Geschehen fragmentarisch – nie hat der Zuschauer mehr Überblick als die Protagonisten. Die Odyssee durch sonnendurchflutete Wälder, Sümpfe und vorbei an ausgedehnten Seen wird zur Apokalypse bei schönstem Wetter.
 
Im Jahr 2012 beschäftigte sich das Drama „Lore“ mit einer ähnlichen Thematik. Es ist unvermeidlich, dass beide Filme miteinander verglichen werden. Nicht nur ist die Geschichte ähnlich – in „Lore“ flüchtet die Titelheldin mit ihren Geschwistern von Süddeutschland durch die Wälder bis an die Nordsee. Stilistisch sind beide Filme ebenfalls vergleichbar, setzt die „Lore“-Regisseurin Cate Shortland doch ähnlich wie Rick Ostermann den Naturraum als Konstante ein. Dennoch ist „Wolfskinder“ kein Nachahmer. Der Film setzt andere Akzente als „Lore“. Die Parallelen liegen in der Ausgestaltung der existenziellen Erfahrung des Überlebenskampfes und Ausgeliefertseins. Cate Shortland aber stellt diesen Aspekt in einen Kontext, in dem Lore sich selbst erkennen und von der Nazi-Vergangenheit ihrer Eltern distanzieren kann.
 
Ostermann ist radikaler. Ein Erkenntnisgewinn ist für die Kinder bei ihm nicht möglich. Für sie geht es bis zum Schluss um das reine Überleben. Und damit um die Frage nach der eigenen Identität. Ihre Namen sind für diese Kinder das Einzige, was ihnen vom Leben in der Zivilisation bleibt. Die Welt ist ein rätselhafter Ort der Gefahr, aber auch der Schönheit. Umso wundervoller ist, dass der Regisseur vor allem Hans seine Kraft zur Zärtlichkeit, zum Träumen, zum Staunen belässt. Ostermanns Film erinnert nicht nur an das Schicksal der Wolfskinder, sondern an die vielen Kinder, die heute in Kriegsschauplätzen wie Syrien, dem Gazastreifen oder der Ukraine leiden.
 
Oliver Kaever