Bruder Schwester Herz

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Mit „Im Sommer schläft er unten“ legte er ein bemerkenswertes Debüt vor, nun folgt mit „Bruder Schwester Herz“ der zweite Film von Autor und Regisseur Tom Sommerlatte, der die durch den Erstling geschürten Erwartungen nur bedingt erfüllen kann. Vor allem stilistisch überzeugt die Familiengeschichte, die inhaltlich etwas zu schematisch abläuft.

Webseite: www.kinostar.com

Deutschland 2019
Regie & Buch: Tom Sommerlatte
Darsteller: Sebastian Fräsdorf, Karin Hanczewski, Wolfgang Packhäuser, Godehard Giese, Jenny Schily
Länge: 105 Minuten
Verleih: Kinostar
Kinostart: 10. Oktober 2019

FILMKRITIK:

Irgendwo in der deutschen Provinz betreiben sie ihren Hof: Die Geschwister Franz (Sebastian Fräsdorf) und Lilly (Karin Hanczewski), die seit Kindestagen unzertrennlich sind. Und seitdem die Mutter den Vater (Wolfgang Packhäuser) nach dessen schweren Unfall verlassen hat, sind es die Kinder, die sich um die Rinderzucht kümmern. Ein hartes Geschäft, das gerade so genug abwirft, um mehr schlecht als recht zu überleben.
 
Während Franz mit der Situation zufrieden scheint, sich mit wechselnden Bekanntschaften vergnügt, die er in der lokalen Kneipe kennen lernt, sehnt sich Lilly zunehmend nach einem Wandel. Der kommt in Gestalt des Sängers Chris (Godehard Giese), der bei der Dorfkirmes mit seiner Band spielt und sehr zur Irritation von Franz plötzlich auf dem Hof ein und ausgeht. Und so kommt es wie es kommen muss: Nach einigen derben Späßen verlässt nicht etwa nur Chris den Hof, sondern auch Lilly, die ihren Bruder zum ersten Mal in dessen Leben mit der Verantwortung allein lässt.
 
Als Lilly einige Zeit später auf den Hof zurückkehrt, hat sich vieles verändert: Franz ist fest mit der biederen Sophie (Jenny Schily) zusammen und die Rinder sind verkauft. Die einstige Idylle der Geschwister scheint endgültig Geschichte zu sein.
 
Cowboyidylle mitten in Deutschland scheint Tom Sommerlatte in seinem zweiten Spielfilm „Bruder Schwester Herz“ evozieren zu wollen. Die starken Breitwandbilder von Kameramann  Willi Böhm tauchen den Hof der Geschwister in weiches Licht, die Einsamkeit der Landschaft wird betont, die Weite der Felder, auch die Freiheit, die ein Leben bereithält, das vom Leben und Arbeiten mit Rindern geprägt ist. Auf Pferden reiten die Geschwister bisweilen selbst zur Dorfkneipe, wo sie Whisky trinken, und bei solchen Bildern ahnt man, warum gerade Franz die Zeit am liebsten anhalten würde.
 
Doch das geht natürlich nicht, die Dinge müssen sich verändern, gerade natürlich in einem Film, den es nicht geben würde, wenn nichts passieren würde. Und so muss Tom Sommerlatte das eingespielte Trio um Bruder, Schwester, Vater bald aufrütteln, muss die Ordnung durcheinander wirbeln, damit die Geschichte in Gang kommt. Wie er das anstellt ist jedoch allzu schematisch: Jedem der Geschwister wird ein Partner an die Seite gestellt, der Sänger Chris und Sophie, die auf dem Hof die Buchführung besorgt. Ein wenig langweilig und bieder wirken diese beiden Figuren, dabei sind sie vor allem normal. Doch das der Film sie als Ersatz für die über Jahre gewachsene Beziehung der Geschwister anbietet, ist ein wenig billig.
 
Gegen die Nähe der Geschwister, die sich in und auswendig kennen, ihre Stärken und Schwächen durchschauen und sich am Ende doch voneinander lösen, ja lösen müssen, damit das Leben weitergeht, kommen die Neulinge nicht an.
 
Etwas einfach macht es sich Sommerlatte durch diese Nebenfiguren in seinem Bemühen, das Besondere, das Einzigartige der Beziehung der Geschwister anzudeuten, denn eigentlich gibt es für sie keinen Grund, ihre Idylle aufzugeben. Außer eben den Willen des Regisseurs, vom Untergang eines bestimmten Lebens zu erzählen, ein Leben, dass er mit atmosphärischen Bildern evoziert und durch eine zu schematische Geschichte beendet.
 
Michael Meyns