Dora und die goldene Stadt

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Basierend auf der erfolgreichen Kinder-Zeichentrickserie „Dora the Explorer“ kommt von Regisseur James Bobin nun der gleichnamige Realfilm ins Kino. Und der erinnert an eine wilde Mischung aus „Jumanji“, „High School Musical“ und ist dabei durch und durch ein Bobin-Film, der sich stets darüber bewusst ist, ein Film zu sein. Klingt absurd? Ist es auch! Dürfte aber sowohl jung als auch alt richtig viel Spaß bereiten.

Webseite: Dora-Film.de

OT: Dora and the Lost City of Gold
AUS/USA 2019
Regie: James Bobin
Darsteller: Isabela Moner, Eugenio Derbez, Michael Peña, Eva Longoria, Pia Miller, Joey Vieira, Jeff Wahlberg, Adriana Barraza, Danny Trejo
Länge: 102 Min., FSK: ab 6 J.
Verleih: Paramount
Start: 10. Oktober 2019

FILMKRITIK:

Wohlbehütet wächst die kleine Dora (als Kind: Madelyn Miranda) bei ihren Entdecker-Eltern Cole und Elena (Michael Peña und Eva Longoria) im Dschungel auf. Als Teenagerin (jetzt gespielt von Isabela Moner) treibt es Dora schließlich in die Großstadt. An der Seite ihres Cousins Diego (Jeff Wahlberg) lernt sie die Gepflogenheiten an einer ganz normalen High School kennen, stößt ihrer Mitschüler mit ihrer offenen und herzlichen Art aber auch immer wieder vor den Kopf. Schon bald fühlt sich Dora gar nicht mehr so wohl in ihrer Haut und möchte am liebsten in den Dschungel zurück. Ein Ausflug in ein Museum soll die gewünschte Abwechslung bringen, doch vor Ort werden Dora, Diego und zwei weitere Mitschüler entführt. In den Dschungel. In die Nähe des Entdeckercamps ihrer Eltern. Zwar können sich die Teenager schnell befreien und auch ihren geliebten Affen Boots (im Original gesprochen von Danny Trejo) findet Dora schnell wieder. Doch die Ganoven scheinen mit den Kids etwas ganz Besonderes vorzuhaben. Ob die geheimnisumwitterte Goldene Stadt etwas damit zu tun hat?
 
Insbesondere in seinen beiden „Muppets“-Verfilmungen „Die Muppets“ und „Muppets Most Wanted“ hatte Regisseur James Bobin Gelegenheit, sich auf der Meta-Ebene auszutoben. Beide Filme sind ein Paradebeispiel für anarchische Comedy, wie man sie heutzutage kaum noch auf der Leinwand zu sehen bekommt. Und das ganz ohne Fäkalhumor unterhalb der Gürtellinie – eine Rarität! Wenngleich er sich bei „Alice im Wunderland: Hinter der Spiegeln“ nicht mehr ganz so austoben durfte wie erhofft, trägt seine Zeichentrickserienverfilmung „Dora und die goldene Stadt“ nun wieder sehr viel Bobin-DNA in sich; irgendwo zwischen „Jumanji“ und, ja, „High School Musical“. Damit meinen wir nicht, dass in „Dora und die goldene Stadt“ besonders viel gesungen wird. Es gibt zwar die ein oder andere musikalische Einlage, doch das Trällern und Musizieren steht hier nicht im Vordergrund. Nein, es ist vielmehr der wohldosierte Wahnsinn, die herrliche Selbstironie, durch die sich die „HSM“-Filme gerade bei Erwachsenen einen Kultstatus erarbeiten konnten und die nun auch im „Dora“-Film zuhauf stecken. Bobins neuestes Abenteuer ist nicht einfach nur ein „‘Jumanji‘ für Kids“, sondern ein ganz eigenes (Kunst-)Werk, von dem wir uns jetzt schon ganz unverblümt eine Fortsetzung wünschen. Auch deshalb, weil es so etwas, ähnlich der „Muppets“-Filme, heutzutage kaum noch zu sehen gibt.
 
In der Zeichentrickserie „Dora the Explorer“, im Deutschen unter „Dora“ bekannt, ist die Hauptfigur im frühen Schulkindalter. Das ist die Realfilm-Dora auch in „Die goldene Stadt“ – zumindest im Prolog. Doch dann findet ein Zeitsprung statt und fortan schlüpft die durch die umwerfende Komödie „Plötzlich Familie“ bekannte Isabela Moner in die Hauptrolle, die mit ihrem kleinen Affen Boots durch den Dschungel rennt und sich halsbrecherischen Aufgaben stellt. Dabei changiert James Bobin sehr gewieft zwischen „die Absurdität aus der Vorlage übernehmen“ und „die Absurdität der Vorlage ad absurdum führen“; zwei Beispiele: In „Dora the Explorer“ wendet sich die junge Hauptfigur regelmäßig an das Publikum, um ihm ganz besonders schwierige Begriffe noch einmal genauer zu erläutern. Und am Ende sollen die Kleinen den soeben gelernten Terminus dann noch einmal selbst aufsagen. Das geschieht hier auch. Zweimal. Beim ersten Mal sucht sich die sechsjährige Dora noch eine verhältnismäßig einfache Vokabel aus, beim zweiten Mal ist die von Teenager-Dora ausgesuchte Vokabel aber selbst für Erwachsene kaum auszusprechen. Isabela Moners keckes Augenzwinkern zeigt: Wirklich ernst gemeint ist das alles hier sowieso nicht. Genauso wenig kann die menschliche Dora über ähnlich große Schluchten springen wie ihr Zeichentrickpendant. Dafür ist es sehr charmant, wie die Macher sich hier vor der Zeichentrickvorlage verbeugen: Ein Blütenrausch (ähnlich eines Drogenrauschs) verwandelt sämtliche menschliche Figuren hier für eine kurze Zeit in ihr Zeichentrickpendant. Eine wahrlich charmante Idee, um der Serie ihren Tribut zu zollen.
 
Des Weiteren erstreckt sich die (Meta-)Absurdität über solche Dinge wie Doras Drang dazu, in jeder erdenklichen Minute ein Lied anzustimmen, um Stress oder andere unangenehme Emotionen zu verarbeiten (der „I Grab a Poo-Hole“-Song bleibt einem auch nach dem Film noch sehr lang im Gedächtnis – leider!). Aber auch ihre Freunde fügen sich der Tonalität; etwa indem sie ständig versuchen, mithilfe ihres durch Filme angelernten Wissens darüber, wie man sich aus gefährlichen Dschungel-Situationen befreien kann, die Gefahr zu bannen. Zugegeben: Besonders subtil ist das nicht. Aber es gefällt, zu wissen, dass sich Bobin der Plakativität seines Films sehr oft sehr bewusst ist. Das zeugt von Selbstbewusstsein und lässt einen über kreative Schwächen wie die schwache Animationsqualität des Affen Boots locker hinwegsehen.
 
Von diesen ganzen Meta-Spielereien einmal abgesehen, ist „Dora und die goldene Stadt“ letztlich aber immer noch ein richtig feiner Abenteuerfilm – inklusive Dschungel-Puzzles, unterirdischen Wasserstrudeln, Treibsand und geheimnisumwitterten Schätzen, die es zu entdecken gilt. Dabei macht das Skript von unter anderem Nicholas Stoller („Bad Neighbors“) immer wieder mit Nachdruck deutlich, dass es einen Unterschied zwischen Schatzjägern und Entdeckern gibt. Nora und ihre Eltern sind mit ihrem Drang nach Wissen und ihrer Neugier an fremden Kulturen klar die Guten, während die sich an den Schätzen derselben bereichern wollenden Kidnapper die Bösen sind. Beide Parteien jagen sich hier nicht nur gegenseitig durch den Dschungel, sondern haben auch ihre ganz eigenen Vorstellungen davon, wie man mit fremdem Kulturgut umgehen muss. Damit bleibt am Ende des Films eben doch ziemlich viel Wissen bei den jungen Zuschauern hängen, ohne dass man es ihnen permanent vorkauen muss.
 
„Dora und die goldene Stadt“ ist ein rundum gelungenes Abenteuer, das für die Kleinen Slapstick und wohldosiertes „Jumanji“-Flair bereithält und die Erwachsenen mit viel, viel Meta-Humor verzückt.
 
Antje Wessels