RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit

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Mittlerweile ist sie 85 Jahre alt und immer noch Mitglied des Obersten Gerichtshofs der USA: Ruth Bader Ginsburg wurde als zweite Frau überhaupt in dieses Amt berufen. Wegen ihrer grundlegenden Arbeiten zur Gleichstellung der Geschlechter ist die Juristin seit den 70er Jahren bekannt, inzwischen ist sie fast ein Popstar - ein Vorbild für viele Mädchen und ein Symbol für die liberale Justiz im Trumpland. Betsy West und Julie Cohen zeichnen in ihrer klassischen Dokumentation ein respektvolles Porträt der alten Dame. Für politisch Interessierte sicherlich ein lohnender Film und eine gute Gelegenheit, eine überaus scharfsinnige Frau kennenzulernen.

Webseite: www.kochmedia-film.de

Dokumentarfilm
USA 2018
Regie und Buch: Betsy West, Julie Cohen
97 Minuten
OmU
Verleih: Koch Films
Kinostart: 13.12.2018

FILMKRITIK:

In den USA ist Ruth Bader Ginsburg, besser bekannt als RBG, mit vielen Äußerungen bekannt geworden. Einer davon lautet: “I ask no favor for my sex. All I ask of our brethren is that they take their feet off our necks.” Frei übersetzt ungefähr: „Ich bitte nicht um Wohlwollen für mein Geschlecht. Alles, worum ich unsere Brüder bitte, ist, dass sie ihre Füße aus unserem Genick nehmen.“ Schon dieses Zitat zeigt viel von dem, was RBG ausmacht: Mut, Radikalität, Scharfsinn und Humor. In den USA ist sie mittlerweile eine Art Pop-Ikone – es gibt RBG-Masken, Fanclubs mit eigenen Webseiten, und sie wurde in Saturday Night Life parodiert, was gar nicht so leicht ist, denn die kleine, zarte Frau mit der strengen Frisur und den großen Augen hinter der dunkel gerahmten Brille ist im Grunde sehr zurückhaltend und alles andere als originell. Man nennt sie inzwischen „Notorious RBG“ – die berüchtigte RBG. Dabei hat sie sich bestimmt nicht darum gerissen, im Mittelpunkt zu stehen. Sie war eine der ersten Jura-Professorinnen der USA und wurde in den 70er Jahren recht bekannt, weil sie als Anwältin zugunsten von Frauen Gerichtsurteile erkämpfte, die maßgeblich für die Entwicklung der Frauenrechte in den USA wurden. Ihr brillanter Geist, ihr klares analytisches Denken und ihre Hartnäckigkeit machten sie zu einer wichtigen Fürsprecherin der Frauenbewegung und zu einer Kämpferin für die verfassungsmäßigen Rechte von Minderheiten. Aber RBG wäre nicht sie selbst, wenn sie sich für irgendeine Richtung hätte vereinnahmen lassen. Sie blieb stets auf Distanz, betrachtete Recht und Gesetz als ihren Auftrag und hielt sich aus allen öffentlichen Grabenkämpfen heraus. Obwohl sie eine liberale Demokratin war und ist, gehören auch Konservative zu ihren besten Freunden. Erst in den letzten Jahren, seit dem Tod ihres Mannes, mit dem sie 50 Jahre zusammen war, und seitdem sie eine schwere Krankheit überstanden hat, hat sie ihre Scheu vor der Öffentlichkeit abgelegt, und manchmal scheint es, als genieße sie es ein wenig, sich feiern zu lassen.
 
Die immer noch sehr aktive, engagierte Juristin spricht sehr klar und deutlich, manchmal auch mit leiser Ironie über die Vergangenheit und über ihr Privatleben. Doch sobald es um ihr ureigenes Metier geht, um die Rechtsprechung, wird sie absolut professionell. Da geht es um ihre ersten Prozesse, schon früh war sie im Verfassungsrecht zu Hause, beschäftigte sich mit Rassendiskriminierung und Gleichstellungsproblemen. Selten wird sie privat oder geht aus sich heraus. Nicht einmal, wenn es um die Beziehung zu ihrem Mann geht, der für seine Zeit mindestens ebenso ungewöhnlich war wie sie. Er hielt ihr den Rücken frei, ordnete sich ihrer Karriere unter, übernahm die Kindererziehung und den Haushalt. Sie sagt über ihn – frei übersetzt: „Er war der erste Mensch, den ich traf, der sich darum gekümmert hat, dass ich ein Gehirn habe.“ Deutlich lieber als über ihre Familie spricht sie dann über ihre legendären Spitzenjabots und Schmuckkragen, die sie zur Richterrobe trägt. Doch ganz gleich, was RBG sagt, auch wenn sie scheinbar ohne große Emotionen spricht, stets ist ihre Vitalität sichtbar, der Wille, der sie antreibt, ihr unerschütterliches Selbstvertrauen und der Glaube an die Kraft von Recht und Gesetz.
 
Die beiden Filmemacherinnen wählten für ihr Doku-Biopic die klassische chronologische Variante, die sie mit zahlreichen Interviews, Fotos, Film- und Fernsehbildern aus Archiven und aus Privatbesitz ausstaffieren. Dennoch bleibt der Talking Heads-Effekt vorherrschend – selten gibt es Kamerafahrten. Meist steht die Kamera fest, und eine Person davor spricht, ab und an kommt Bewegung in die Handlung. Man sieht RBG auf Empfängen, Schul- und Collegeveranstaltungen, bei Fernsehauftritten und mit ihrem Personal Trainer beim Sport. Ihre Freundinnen, die deutlich lebhafter sind als die Porträtierte, berichten lachend über RBG`s Fitnesseinheiten. Doch hinter dem beharrlichen Training steckt der eiserne Wille der alten Dame, nach ihren OP`s wieder zu Kräften zu kommen, denn sie will noch möglichst lange als Richterin am Obersten Gerichtshof der USA (Supreme Court of the United States, auch SCOTUS genannt) aktiv bleiben. Soeben wurde mit Brett Kavanaugh wieder ein Konservativer berufen, und RBG gehört zum liberalen Flügel. Trotz vieler Verweise und Bezüge ist es aber nicht nötig, sich mit dem amerikanischen Rechtswesen auszukennen, um diesen Film zu schätzen. Es genügt zu erkennen, dass hier eine sehr kluge, engagierte Frau unterwegs ist, die mit großem Einsatz für Gerechtigkeit kämpft.
 
Gaby Sikorski