Einem fast vergessenen Künstler des Expressionismus widmet sich Gabriela Rose in ihrem Film „Bernhard Hoetger – Zwischen den Welten“, der sich einer ungewöhnlichen, aber auch gewöhnungsbedürftigen Form bedient. Dokumentarische Bilder und Talking Heads vermischen sich mit nachgestellten Szenen, die sich um Authentizität bemühen, aber oft hölzern wirken, was zu einem zwiespältigen Ergebnis führt.
Deutschland 2023
Regie & Buch: Gabriela Rose
Darsteller: Moritz Führmann, Florian Lukas, Katharina Stark, Ulrike Gebauer, Esther Maria Pietsch, Simon Elias
Länge: 93 Minuten
Verleih: farbfilm Verleih
Kinostart: 25. Juli 2024
FILMKRITIK:
Von 1874 bis 1949 lebte Bernhard Hoetger, wie der Untertitel von Gabriela Roses Film andeutet: Zwischen den Welten. In Hörde, einem heutigen Stadtteil Dortmunds, geboren, ging Hoetger Ende des 19. Jahrhunderts nach Paris, wo er in den Salons der Kunstmetropole Anerkennung fand.
Zurück in Deutschland arbeite Hoetger in der Darmstädter Künstlerkolonie, wo er als Professor lehrte und in einem Platanenhain eines seiner Hauptwerke entstand: Eine Skulpturengruppe, die auf expressive Weise die „Licht- und Schattenseiten“ der Menschen darstellt. Auch eine Paula Modersohn-Becker gewidmete Arbeit entstand. Sie hatte Hoetger in Paris kennengelernt, sie war es auch, die ihm vom bei Bremen gelegenen Dorf Worpswede erzählte, der nächsten Station in Hoetgers Leben.
Besonders interessant – und kompliziert – wird das Leben Hoetgers mit Beginn des Nationalsozialismus. Eine gewisse Nähe zur nordischen Mythologie eine Faszination für die Suche nach dem „neuen Menschen“, dem Schaffen einer „neuen Gesellschaft“ hatte sich schon länger in Hoetgers Leben und Werk gezeigt, was fast zwangsläufig zu einer Nähe zur Ideologie der Nazis führte. Zwar wurde Hoetgers Werk als „Entartete Kunst“ bezeichnet, dennoch trat er, freiwillig wohlgemerkt, der NSDAP bei, mehr als ein Mitläufer scheint er jedoch nicht gewesen zu sein. In der Schweiz verbrachte er seine letzten Jahre und starb dort 1949.
Ein spannendes Leben, ohne Frage, ein Künstler, den wiederzuentdecken sich lohnt. Zum 150 Geburtstag im Mai dieses Jahres drehte Gabriela Rose ihren Film, der ein faszinierendes Subjekt zeigt – und ihm dennoch nicht ganz zu trauen scheint. Zwangsläufig gibt es aus den ersten 30, 40 Jahren von Hoetgers Leben keine bewegten Bilder, aber allein die photographischen Zeugnisse und vor allem Hoetgers Arbeiten reichen an sich vollkommen aus, um Hoetgers Werk zum Leben zu erwecken. Erst recht, da Rose zahlreiche Kuratoren, Museumsdirektoren und Kunstexperten interviewte, die kenntnisreich aus Hoetgers Leben und Werk erzählen.
Warum es dennoch notwendig erschien, Szenen aus Hoetgers Leben nachzustellen mag man sich fragen. Zumal diese Szenen oft vor einer Fototapete im Studio gedreht wurden und dementsprechend hölzern wirken, ein Eindruck, der dadurch verstärkt wird, dass Rose sich bemüht, ausschließlich Originalzitate zu verwenden. Was bedeutet, dass aus Briefen, Tagebuchnotizen oder anderen schriftlichen Aufzeichnungen zitiert wird, also vor allem Sätze fallen, die keine Dialoge sind. Überaus gestelzt wirken dadurch die meisten Spielszenen, die ohnehin wenig vermitteln, was nicht auch die interviewten Experten auf den Punkt bringen.
Sie ordnen diese Bernhard Hoetgers Leben und Werk ein und machen Lust, sich mit diesem weniger bekannten Künstler zu beschäftigen. Die eher missglückten nachgestellten Szenen wären dafür, wie so oft, gar nicht nötig gewesen.
Michael Meyns