Call Jane

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Manchmal erlangen Filme eine Wichtigkeit, die bei ihrer Entstehung noch gar nicht absehbar war. Seit im Juni dieses Jahres das Urteil „Roe vs. Wade“ in den USA vom Supreme Court gekippt wurde und Bundesstaaten Abtreibungen wieder für illegal erklären können, ist „Call Jane“ bedeutsamer denn je. Denn er erzählt davon, wie es Ende der 1960er Jahre war, als Frauen in die Illegalität abgleiten mussten, wenn sie eine Abtreibung wollten – und häufig ihr eigenes Leben aufs Spiel setzten.

Webseite: https://dcmstories.com/de/collection/call-jane/

USA 2022
Regie: Phyllis Nagy
Buch: Hayley Schore, Roshan Sethi
Darsteller: Elizabeth Banks, Sigourney Weaver, Chris Messina, Kate Mara

Länge: 121 Minuten
Verleih: DCM
Kinostart: 1. Dezember 2022

FILMKRITIK:

Chicago im Jahr 1968: Joy ist verheiratet, eigentlich glücklich und schwanger. Das Problem ist, dass die Schwangerschaft ihr Leben gefährdet, aber obwohl für das Überleben der Mutter niemand garantierten kann, verweigert man ihr eine Abtreibung. Man schickt sie zu zwei Psychiatern. Wenn sie diese glaubhaft davon überzeugen kann, dass sie suizidal ist, könnte der Abbruch durchgeführt werden. Einer der Ärzte zeigt Joy einen Plan B auf – einen Hinterhof-Doktor, der am laufenden Band Abtreibungen vornimmt. Sie findet aber anderweitig Hilfe. Bei „Call Jane“, einer Initiative, die Frauen hilft, die nicht schwanger sein wollen.

Das Thema ist wichtig, in den USA heute umso mehr als noch letztes Jahr, als „Call Jane“ gedreht wurde. Er greift aber nicht nur das Thema auf, sondern streicht auch andere. Den allgegenwärtigen Rassismus oder den Umstand, dass Frauen ohne Einwilligung ihrer Männer kaum irgendetwas machen konnten. Überfrachtet wirkt der Film damit nicht, er hat nur ein Problem damit, den Punkt zu finden. Oder anders gesagt: Er kommt in der ersten Hälfte auf den Punkt und wiederholt dann nur noch, was er dem Zuschauer ohnehin schon mit auf den Weg gegeben hat.

Zudem ist „Call Jane“ ausgesprochen dröge inszeniert. Der Film ist nicht nur unaufgeregt, er ist extrem langsam erzählt. Dabei gelingt es ihm nicht immer, den Furor echter Emotion in den Fokus zu rücken, und das obwohl es dafür Szenen gäbe, etwa die, in der Joy von den Oberen des Krankenhauses einfach wieder weggeschickt wird.

Zu oft wirkt der Film behäbig, wo er aufrüttelnd sein müsste. Er hat ein hervorragendes Thema, aber er lässt es sich nicht entfalten. Punkten kann der Film überhaupt nur, weil die Schauspieler durch die Bank gut sind. Besonders gilt dies für Elizabeth Banks, die als Joy eine Frau spielt, die beginnt, für sich selbst zu denken, und die auch dazu beiträgt, dass ein repressives System aufgebrochen wird.

In den USA lief der Film leider mehrheitlich unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Das liegt höchstwahrscheinlich an seiner doch sehr trockenen Erzählweise. Dabei wäre gerade jetzt ein Film, der ins Bewusstsein ruft, wie viele Frauen bei illegalen Abtreibungen ums Leben kamen, wichtig.

 

Peter Osteried