Der Pfau

FILMKRITIK:

Wenn es eine Gruppe gibt, die ein Teamcoaching braucht, dann diese. Schon im Shuttlebus geht das Gezerre und Gemecker los, und das steigert sich noch bei der Ankunft. Die Abteilungsleiterin Linda und ihre arrogante Bagage aus in Maßanzüge gehüllten Bankern landen in einem äußerlich beeindruckenden Landsitz mitten in den Highlands, der im Inneren kaum Jugendherbergs-Standards erfüllt: Es gibt Mehrbettzimmer mit Doppelstockbetten und Gemeinschaftsbad und, wie zu erwarten, weder ein Mobilnetz noch W-Lan. Lord und Lady Macintosh bemühen sich um Schadensbegrenzung, aber den Reisenden ist klar: Dieses Wochenende kann nur ein Reinfall werden. Kaum haben sie mit den merkwürdigen Kennenlernspielchen begonnen, die ihnen die kurzfristig eingesprungene Teamerin Rebecca aufgedrückt hat, werden sie durch eine Schreckensnachricht alarmiert: Der Lieblingspfau des Lords ist verschwunden – eine merkwürdige Kreatur, die auf die Farbe Blau extrem aggressiv reagiert und damit schon viel Unheil angerichtet hat. Möglicherweise ist also ein Verbrechen geschehen ... und möglicherweise sind nun alle bedroht. Aber wer hat wen wann und wie mit wem zusammen gesehen? Und wofür ist das überhaupt wichtig? Welche Rolle spielt in diesem ganzen Wirrwarr die gutgelaunte Köchin Helen, die extra für dieses Wochenende aus Deutschland eingeflogen wurde? So viele Geheimnisse ... sie schweben über diesem Schloss wie ein jahrhundertealter Fluch.

Eigentlich ist „Der Pfau“ sowohl von der Handlung als auch vom Setting her eine klassische Kriminalkomödie im Stil von Agatha Christie. Das Setting – ein einsam gelegenes, verwinkeltes Schloss; die Personen – eine Gruppe von Menschen, die hier zusammengesperrt sind und nicht wegkönnen. Dazu wird sogar ein MacGuffin à la Hitchcock geboten, eine Art Handlungsvorantreiber in Gestalt eines Pfaus. Die Musik könnte problemlos in einen nostalgischen britischen Landkrimi passen oder zu einer schottischen Miss Marple. Das alles ist extrem vergnüglich und hübsch ausgedacht – dank der Romanvorlage von Isabel Bogdan, die sich offenbar sehr gut auskennt mit ihrem Sujet. Da wird tatsächlich in einer deutschen Filmproduktion die britische Krimikultur mit sehr viel Spaß und liebevoller Ironie zitiert, und es funktioniert ganz prima. Hinzu kommt eine außergewöhnlich hohe Gagdichte und flotte Dialoge, die auf den Punkt getimt sind.

Für Kinofans gibt es dazu noch einen gelungenen cineastischen Aspekt: Aus der Vogelperspektive wählt sich die Kamera jeweils scheinbar willkürlich eine Person, nähert sich ihr von oben und verfolgt sie, bis die nächste dran ist. Das erinnert ein wenig an das beliebte Brettspiel „Cluedo“, passt aber exzellent zu dem ganzen Verwirrspiel. Nebenbei wird auf diese Weise die Handlung aus unterschiedlichen Perspektiven dargestellt und bleibt deshalb stets spannend. Dazu die tolle Besetzung: Annette Frier, die eine der wenigen großen Schauspielerinnen in Deutschland ist, die richtig komisch sein können. Sie spielt die Köchin und steht als allwissende Erzählerin über dem Geschehen, das sie rotzig frech und mit beglückender Boshaftigkeit kommentiert. Die karrieregeilen und erfolgssüchtigen Bankmanager spielen Jürgen Vogel, Tom Schilling, David Kross und Serkan Kaya mit großem komödiantischem Einsatz. Auch die kleineren Rollen sind passend besetzt: Svenja Jung spielt die junge, unerfahrene Trainerin, und als schottisches Gastgeberpaar glänzen Philip Jackson und Victoria Carling. Und diese beiden sind dann wohl die einzigen, die nichts zu verbergen haben. Oder?

Gaby Sikorski