Die Frau im Nebel

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Park Chan-wooks neuestes Werk ist meisterhaft inszeniert – jedes Bild ist ein Gedicht, während die Geschichte von einem Thriller zur Romanze wird und wieder ins Terrain des Spannenden zurückkehrt. Nicht, weil der Film unentschlossen wäre, sondern weil der Regisseur ihn so wechselhaft wie die Hauptfigur gestaltet hat. Er erzählt von einem Polizisten, der sich in eine Verdächtige verliebt. Ein an und für sich konventioneller Plot, der in den Händen von Park Chan-wook zu mehr wird – einem Film über Verlust.

Webseite: https://plaionpictures.com/

Heojil kyolshim
Südkorea 2022
Regie: Park Chan-wook
Buch: Park Chan-wook, Jeong Seo-kyeong
Darsteller: Park Hae-il, Tang Wei, Lee Jung-hyun

Länge: 139 Minuten
Verleih: Plaion Pictures
Kinostart: 2. Februar 2023

FILMKRITIK:

Hae-joon ist Polizist. Ein Mann, der seine Schlaflosigkeit meist zur Observation nutzt, der eine Wochenendehe führt, und der von seinen ungelösten Fällen besessen ist. Nun ermittelt er im Fall eines abgestürzten Bergsteigers. Aber ist er wirklich abgestürzt oder könnte seine aus China stammende Frau Seo-rae etwas damit zu tun haben? Er ermittelt, er beobachtet, er lässt sich von der Frau, die als Pflegerin für die Alten arbeitet, in seinen Bann ziehen. Ist es schon Liebe? Will er seine Frau verlassen? Kann aus einem vermeintlichen Mordfall tatsächlich etwas Gutes entstehen? Oder droht dem Polizisten am Ende der totale Zusammenbruch?

Park Chan-wook war inspiriert von einem koreanischen Lied, das von verschiedenen Interpreten umgesetzt wurde. Er wollte es zum Zentrum einer Liebesgeschichte machen, er interessierte sich aber auch für einen Kriminalfall mit einem Ermittler wie Martin Beck aus der schwedischen Krimiserie „Kommissar Beck“. Einen Mann, der sanft, ruhig, höflich, würdevoll und freundlich ist. Nicht unbedingt das, was man bei Kommissaren erwartet. Zusammen mit seinem Ko-Autor Jeong Seo-kyeong kombinierte er beide Geschichten und hat mit „Die Frau im Nebel“ einen Film abgeliefert, der nur schwer greifbar ist. Oder anders gesagt: Der so ist, wie die Wellen auf dem Meer – ruhig, manchmal heftig, oft überwältigten, aber immer wechselhaft. So beschrieb der Regisseur auch die weibliche Hauptfigur.

Obwohl es nicht amerikanisches Kino war, das ihn inspirierte, fühlt man sich bei der Rezeption an Alfred Hitchocks „Vertigo“ erinnert. Noch so ein Film, der die Erzählform wechselt, der geheimnisvoll ist und in den Bann zieht. All das gilt auch für „Die Frau im Nebel“, der erst wie ein Krimi-Thriller anmutet, dann jedoch eine Transformation durchmacht – inklusive Orts- und Zeitwechsel.

Es geht nur noch peripher darum, wer wen getötet hat und warum, mehr geht es um den allgegenwärtigen Verlust. Den eines geliebten Menschen, den eines Gefühls, den eines Lebens, das hätte sein können, aber nicht sein wird. Dabei bleibt der Film immer mysteriös, weil man über lange Strecken der Frage nachhängt, was Seo-raes Beweggründe sein mögen. Am Ende offenbaren sie sich, auf einer sehr intimen und für jeden nachvollziehbaren Ebene, aber mit einem Schlussbild – ausgelöst durch eine selbstzerstörerische Entscheidung –, das den Zuschauer ebenso ratlos und verloren zurücklässt, wie die Hauptfigur. Erneut hat Park Chan-wook einen Film abgeliefert, der auf vielen Ebenen funktioniert und mit seinen Wendungen geradezu eine zweite Sichtung herausfordert. Weil es in „Die Frau im Nebel“ mehr zu entdecken gibt, als auf den ersten Blick offenbar wird.

 

Peter Osteried