Die Königin des Nordens

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Zwischen Verrat und Intrigen – ein exzellent gefilmtes historisches Drama mit einer magischen Hauptdarstellerin: Trine Dyrholm spielt Margarethe I., die im späten Mittelalter die skandinavischen Länder zur Allianz vereinte. Als ungekrönte Regentin wurde Margarethe zu einer der wichtigsten und nebenbei auch interessantesten Persönlichkeiten der Weltgeschichte – eine Frau, die ihre Macht immer wieder zu verteidigen wusste. Die aufwändige Produktion über den spannenden Kampf um Einfluss und Macht ist ein mitreißendes, sehr stimmungsvolles Kinoerlebnis und kann sich durchaus an modernen monumentalen Werken der Filmgeschichte messen, wie ELIZABETH I. (1998) oder MARY QUEEN OF SCOTS (2018) – mit gewaltigen Bildern, die im Gedächtnis bleiben.

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Margrete den første
Dänemark / Schweden / Norwegen / Island / Tschechien 2021
Regie: Charlotte Sieling
Drehbuch: Charlotte Sieling, Jesper Fink, Maya Ilsøe
Darsteller: Trine Dyrholm, Søren Malling, Morten Hee Andersen, Jakob Oftebro
Laufzeit: 120 Minuten
Verleih: Splendid Film GmbH
Kinostart: 30.12.2021

FILMKRITIK:

Ein kleines Mädchen schaut in einen Steintrog und fährt spielerisch über die Wasseroberfläche, als zwei blutige Hände neben ihren Fingern eintauchen. Aus dem dunkelrot gefärbten Wasser fischt das Kind einen goldenen Ring. Dann wird die Kleine weggetragen, sie blickt zurück auf Tod und Zerstörung: ein Schlachtfeld, übersät mit Leichen.

Die Eingangssequenz spielt im Jahr 1361 auf Gotland, kurz nach der Eroberung der Insel durch Valdemar IV. Atterdag, König von Dänemark. Das Mädchen ist die zehnjährige Margarethe, seine Tochter. Fast 40 Jahre später herrscht sie nicht nur über Dänemark, sondern es ist ihr auch gelungen, die skandinavischen Länder zu vereinen. Dank Margarethe und ihrer Herrschaft herrscht Frieden in der Allianz, und Frieden bedeutet Wohlstand, was sogar ihre Gegner anerkennen. Doch die Allianz wird bedroht, von innen durch rebellische Gefolgsleute, von außen durch die deutsche Hanse. Die Heirat des designierten Königs, Margarethes Adoptivsohn Erik, mit einer englischen Prinzessin soll das Bündnis stärken.

Als der englische Gesandte mit der achtjährigen Prinzessin Philippa am Königshof eintrifft, um mit Margarethe über die Hochzeit mit ihrem Adoptivsohn Erik zu verhandeln, steht die Regentin auf dem Höhepunkt ihrer Macht und weist konsequent die Ansprüche der Engländer auf skandinavische Ländereien zurück – ebenso wie das Angebot einer gemeinsamen Nacht mit dem Gesandten. Beim abendlichen Gelage hat sie ihre Augen und Ohren überall. Der Auftritt und das plötzliche Verschwinden des deutschen Gesandten erscheinen ihr verdächtig, zumal praktisch zeitgleich verbreitet wird, ihr totgeglaubter Sohn wäre am Leben und auf dem Weg zum Hof.

Der englische Gesandte bekommt Wind davon und reist ohne weitere Verhandlungen ab. Margarethe beruft eine Ratsversammlung ein – zur Anhörung erscheint ein in Ketten gelegter Mann, in dem Margarethe nicht ihren Sohn erkennt. Ihre Berater wollen kurzen Prozess mit ihm machen, aber Margarethe sorgt für ein faires Verfahren. Je öfter sie den Mann trifft, desto unsicherer wird sie. Falls seine Story wahr ist, wäre er als ihr Sohn der wahre König, und Margarethe müsste die Regentschaft und damit ihre komplette Macht abgeben. Wenn er lügt, muss es jemanden geben, der ihn unterstützt. Dann droht ebenfalls Gefahr. Während sie versucht, den Tod ihres Sohnes aufzuklären, folgen zwei ihrer Verbündeten dem deutschen Gesandten. Ein Wettlauf gegen die Zeit und um die Macht im Staat beginnt.

Intrige, Verrat, Verschwörung – an dieser Geschichte ist alles dran. Im Zentrum der Handlung steht Margarethe, eine kluge Frau, die mit leiser Stimme, gütigem Blick und taktischem Geschick die teilweise ziemlich ungehobelten Landesfürsten lenkt. Trine Dyrholm spielt die mächtige Herrscherin, die einzige Frau in einer Männerwelt, mit freundlich neutraler Miene, selten mit einem beinahe unmerklichen Lächeln. Sie erscheint extrem willensstark, geht nur selten aus sich heraus. Erst die Konfrontation mit der Möglichkeit, dass ihr Sohn noch leben könnte, führt sie, auch wenn sie das zu verbergen weiß, über die Grenzen ihrer Selbstbeherrschung. Dabei geht es jedoch weniger um Mutterliebe als um Machterhalt. Wie Trine Dyrholm die historische Figur zum Leben erweckt und dabei mit scheinbar geringen Mitteln die unterschiedlichsten Facetten von Margarethes Persönlichkeit und ihre Zerrissenheit zum Ausdruck bringt, ist schlicht zum Niederknien gut. Margarethe weiß genau, was sie will, und dafür geht sie über Leichen.

Morten Hee Andersen spielt ihren Adoptivsohn Erik als leicht beeinflussbaren Drückeberger, der eher desinteressiert auf dem Thron herumlümmelt, während Mama regiert. In der Krise entwickelt er sich, und es scheint, als ob er dem Königsjob doch einige interessante Aspekte abgewinnen kann, was seine Mutter gar nicht gerne sieht. Der umfangreiche Cast ist bis in die kleinsten Rollen gut besetzt. Magnus Krepper als intriganter Höfling und Paul Blackthorne als schmieriger englischer Gesandter sollten da besonders erwähnt werden.

Ein wenig düsteres „Game of Thrones“-Feeling gehört ebenso zum Film wie einige diskrete Anspielungen auf aktuelle politische Verhältnisse. Das Drama bietet aber auch viel Action, neben gelungenen Kampfszenen gibt es realistische Einblicke in den mittelalterlichen Alltag, so dass es leichtfällt, in die Vergangenheit einzutauchen und sich mitreißen zu lassen. Die Atmosphäre bleibt dabei immer leicht unterkühlt, mit dunklen Streicherklängen zu den wunderbaren Bildern, die sich sofort für immer einprägen: von den spärlich beleuchteten Innenräumen bis zu der atemberaubend schönen, ursprünglichen Landschaft Skandinaviens mit ihren hochragenden Klippen über dem brausenden Meer, mit dichten Wäldern und kalten, windigen Ebenen.

Am Ende wird der Ring vom Anfang den Träger wechseln. Eine Ära geht zu Ende, der Kreis schließt sich …

Gaby Sikorski