König hört auf

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Er engagiert sich seit Jahrzehnten wie nur wenige gegen Rechtsradikale, setzt sich für die Integration von Flüchtlingen ein und ist für sein aufbrausendes Wesen genauso bekannt wie für seinen langen, grauen Bart: der Jenaer Pfarrer und Sozialarbeiter Lothar König. In seinem filmischen Porträt nähert sich sein Sohn Tilmann dem ambivalenten, außergewöhnlichen Charakter eines Mannes, der selber Diskriminierung und körperliche Gewalt erfuhr. Ein unaufgeregtes, kritisches Personen-Porträt über einen schrulligen, unbequemen Menschen.

Webseite: www.weltkino.de/filme/koenig-hoert-auf-2

Deutschland 2022
Regie: Tilman König
Drehbuch: Tilman König
Darsteller: Lothar König, Katharina König-Preuss, Jan 'Monchi' Gorkow

Länge: 82 Minuten
Kinostart: 17. November 2022
Verleih: Weltkino

FILMKRITIK:

Lothar König ist als Person eine echte Erscheinung und fällt schon von weitem auf. Über dem rechten Auge hat er eine riesige Narbe, sein zerzaustes Haar ist sein optisches Markenzeichen und der lange graue Vollbart gehört ebenso dazu. Die Lebensaufgabe des aus Jena stammenden Mannes: sich gegen rechte Tendenzen einsetzen und dem Rechtsextremismus Paroli bieten. Kein Wunder, stammt doch die Narbe über dem Auge von einem Neonazi, der den Stadtjugendpfarrer einst bewusstlos schlug. König setzt sich in seiner Arbeit darüber hinaus für die Akzeptanz von Flüchtlingen, Jugendliche aus schwierigen (sozialen) Verhältnissen und gesellschaftliche Toleranz ein. Regisseur Tilman König setzt in seinem Dokumentarfilm „König hört auf“ seinem Vater ein filmisches Denkmal.

Der Filmemacher nähert sich Lothar König auf verschiedenen Ebenen, sowohl auf privater, auf beruflicher als auch der öffentlichen. Diese öffentlichen Auftritte, die auch die medienwirksamen Äußerungen sowie Interviews im Rundfunk miteinschließen, zeigen einen wortgewandten, mutig und beharrlich die politischen Missstände anprangernden Mann. Einer, der sich engagiert, sich konsequent dem Kampf gegen Rechtsradikalismus (vor allem jenem in den neuen Bundesländern nach der Wende) verschrieben hat und seine Meinungen selbstbewusst nach außen trägt.

Dieser nimmermüde Einsatz gegen Fremdenhass und antidemokratische Anschauungen zeigt sich gleichsam bei den vielen Protestmärschen und Demos, an denen König teilnimmt. „König hört auf“ enthält viele Demo-Szenen, darunter ältere aus dem Archiv, die zudem Königs Charakter und Wesen verdeutlichen: unbeirrt, zäh, standhaft. Aber auch streitbar und bisweilen über die Stränge schlagend. Denn König, der nach 30 Jahren als Leiter der jungen Gemeinde in Jena in den Ruhestand geht, ist ebenso einer, der gerne mal lauter oder tobsüchtig wird und sich im Ton vergreift.

Das zeigen sorgsam und mit Bedacht ausgewählte Aufnahmen und bewegte Bilder von Podiumsdiskussionen oder Fußballturnieren für Migranten, die von König organisiert wurden. Da Königs Sohn diesen Film zu verantworten hat und um die Gefahr fehlender Distanz sowie übertriebener Huldigung zu umschiffen, ist genau dies so essentiell – gleichsam die negativen, die „nervigen“ und schwierigen Charakterzüge des Porträtierten herauszuarbeiten.
König ist zudem einer, der sich nicht davor fürchtet, auch mal mit dem Gesetz in Konflikt zu geraten: 2011 hat man ihn wegen der Teilnahme an einer Antifaschismus-Demo in Dresden wegen schweren Landfriedensbruchs angeklagt. Nachdem bekannt wurde, dass die Polizei Gewalt gegen die Protestierenden anwandte, ließ die Staatsanwaltschaft die Anklage schließlich fallen.

Überhaupt zeigt sich in dieser Doku und an diesem Menschen, von Haus aus Geistlicher und Sozialarbeiter, exemplarisch, wie sich das Politische mit dem Privaten vermengt. Und dass König seine politische Arbeit und den Einsatz für die Geflüchteten nur selten aus privaten Terminen oder Situationen heraushalten kann. Man erkennt ihn auf der Straße, er wird angesprochen oder liebevoll umarmt. Besonders zu Herzen gehen einige Sequenzen und Privataufnahmen, die auf einem von König organisierten Punk-/Rockkonzert entstanden. Vor allem die Jugendlichen und die Migranten schätzen ihn für seinen unermüdlichen Einsatz, nehmen ihn in ihre Mitte und zeigen so: König ist einer von uns.

Björn Schneider