Maria

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Die Aufregung vor der Premiere des dritten Films der Trilogie von Pablo Larrain über prägende Frauenpersönlichkeiten des 20. Jahrhunderts war beträchtlich. Nach „Jackie – die First Lady“ mit Natalie Portman und „Spencer“ mit Kristen Stewart als Lady Di hatte Angelina Jolie die Rolle der Maria Callas übernommen. Wie würde sie die Callas interpretieren? Konnte das überhaupt gutgehen? Und dann noch der Gesang ...?
Doch kaum war der Vorhang gefallen, war die Antwort klar: Angelina Jolie ist einfach überwältigend, hier spielt sie (vielleicht) die Rolle ihres Lebens. Dieser Film ist nicht nur eine postume Hommage an eine der größten Sängerinnen der letzten 100 Jahre, er ist auch ein cineastisches Denkmal für La Jolie, die hier endlich mal wieder zeigen darf, was sie kann. Und die Sache mit dem Gesang wurde nachgerade genial gelöst!

Webseite: https://www.studiocanal.de/title/maria-2023/

Land: USA, Chile, Italien, Deutschland
Regie: Pablo Larraín
Drehbuch: Steven Knight
Darsteller: Angelina Jolie, Pierfrancesco Favino, Valeria Golino, Haluk Bilginer
Kamera: Ed Lachman
Musik: vom Feinsten

Länge: 123 Minuten
Verleih: StudioCanal
Start: 6. Februar 2025

FILMKRITIK:

Die große Sängerin Maria Callas war ihr ganzes Leben lang extrem diszipliniert – von frühester Jugend an auf Erfolg gedrillt, stets kontrolliert und distanziert, dabei immer elegant und lächelnd. Eine Ikone, ein Star, eine Diva. Wegen ihrer unvergleichlichen Stimme wurde sie weltweit verehrt. Der großartige Dokumentarfilm „Maria by Callas“ zeigte 2017 ihr Leben auf der Grundlage eines seltenen langen Interviews. (https://www.programmkino.de/filmkritiken/maria-by-callas/) Darin spielte sie selbst mit ihrem Image, denn ebenso wie Jackie O. und Prinzessin Diana war auch die Callas der Öffentlichkeit ausgeliefert. „Da sind zwei Menschen in mir, Maria und die Callas“, sagte sie darin.

Pablo Larraín, der mit seinen Biopics über Jackie Kennedy und Lady Di Furore machte, hat sich zusätzlich zu seinen übrigen Recherchen offenbar sehr intensiv mit dem genannten Dokumentarfilm auseinandergesetzt. Und er erreicht, was scheinbar unmöglich ist: Er zeigt die Callas in ihrer ganzen Persönlichkeit und in ihren zahlreichen Facetten, aber er lässt ihr auch ihre Geheimnisse – ähnlich wie in der Dokumentation.

Der Film beginnt sehr still mit dem Tod der Callas – ein Blick in ihr riesiges, luxuriös eingerichtetes Pariser Wohnzimmer zeigt nicht den Leichnam selbst, sondern die Menschen, die darauf schauen. Auch im Tod, so sagt Larrain, wird sie beobachtet.

Im Rückblick wird die letzte Woche ihres Lebens erzählt. Rückblenden in Schwarzweiß führen immer weiter in die Vergangenheit zurück, bis zu ihren Anfängen im 2. Weltkrieg, als die junge Gesangsschülerin für deutsche Besatzungssoldaten in Griechenland sang. Dabei spürt Pablo Larraín mehr und mehr ihrer Persönlichkeit nach, die irgendwo hinter der schillernden Fassade der Diva verborgen ist und die sich nach und nach immer stärker zeigt. Seine Interpretation zeigt eine Vollblutkünstlerin, die ihr gesamtes Leben ihrer perfekten Stimme untergeordnet hat, immer auf der Suche nach Vollkommenheit – im Gesang, in ihrem Äußeren, bei der Wahl ihrer Partner und bei sich selbst. Doch Vollkommenheit ist schwer zu erreichen, und die Suche danach kann sehr einsam machen. Ein Leben lang sehnte sich die Diva nach Nähe, Zuneigung und Liebe, aber am Ende hat sie nur noch ihren Butler und ihre Haushälterin, die sie beide gleich schlecht behandelt und die dennoch an ihr hängen.

Mit unvergleichlicher Eleganz und großer Zurückhaltung spielt Angelina Jolie die Callas in ihren Triumphen – den umjubelten, ständig unter Beobachtung stehenden, stets lächelnden Star, der nie Ruhe hat vor den Fans – und sie spielt die einsame, kranke Maria, die noch immer hofft, ihre verlorene Stimme wiederzufinden und die sich plötzlich damit konfrontiert sieht, womöglich die Liebe ihres Publikums verloren zu haben. Für diesen Film hat Angelina Jolie Gesangsunterricht genommen, aber das Ergebnis reicht natürlich nicht annähernd an die Stimme der Callas heran und ist nicht annähernd vergleichbar mit dem Gesang der Callas auf dem Gipfel ihrer Karriere. Mit geschickten Ton-Effekten ist es jedoch gelungen, die Gesangsstimme der Callas sozusagen mit der von Angelina Jolie zu vereinen – je länger der Film voranschreitet, je brüchiger der Gesang der Callas wird, desto mehr von Angelina Jolies Stimme wird sozusagen zugeschaltet. Der Zauber und die Magie der Stimme von Maria Callas jedoch bleibt erhalten, auch für sie selbst, wenn sie ihre eigenen Plattenaufnahmen hört. Da kann sie kaum noch etwas essen, ist abgemagert, aber immer noch diszipliniert. Doch irgendwo im Nebel der vielen Medikamente, die sie ständig nimmt, steckt die echte Maria. Was ist Realität, was bildet sie sich ein? Sie hat Visionen: Ein Opernchor singt vor dem Eiffelturm, und ein Reporter verfolgt sie, der genauso wie ihre Beruhigungstabletten heißt: Mandrax. Die Callas bleibt elegant, charmant und beherrscht auf ihrem Weg in die Unsterblichkeit, aber die Maria ist vielleicht schon längst gestorben.

 

Gaby Sikorski