Mission: Joy – Zuversicht & Freude in bewegten Zeiten

Zum Vergrößern klicken

Eine ebenso erfreuliche wie inspirierende Begegnung mit zwei der größten Persönlichkeiten des spirituellen wie politischen Lebens der vergangenen Jahrzehnte: Erzbischof Desmond Tutu und der Dalai Lama – zwei gute Freunde. Die sorgfältig gemachte Dokumentation erzählt nicht nur von ihrer gemeinsamen Mission, sondern zeigt sie als zwei weise, alte Herren in ihrer ganzen Lebensfreude, manchmal albern wie kleine Jungs, aber immer erfüllt von spiritueller Kraft.

Mission: Joy – Finding Happiness in Troubled Times
USA
Dokumentarfilm
Regie: Louie Psihoyos, Peggy Callahan
Musik: Dominic Messinger

Länge: 85 Minuten
Verleih: mindjazz pictures
Kinostart: 21. Juli 2022

FILMKRITIK:

Sie sind schon ein klein wenig taperig, die beiden Männer, die da 2015 in Indien aufeinandertreffen: der südafrikanische Erzbischof Desmond Tutu und seine Heiligkeit der 14. Dalai Lama. Beide sind Friedensnobelpreisträger und spirituelle Oberhäupter, beide sind um die 80, beide vereint ihre Religiosität und ein schweres Schicksal. Sie kennen sich seit vielen Jahren und sind gute Freunde. Das merkt man bald, denn kaum sitzen die beiden nebeneinander und bereiten sich auf das erste Interview vor, fangen sie schon an, sich spielerisch zu necken. Desmond Tutu fordert den buddhistischen Mönch mit erhobenem Zeigefinger auf, sich gefälligst wie ein Heiliger zu benehmen. Sie nennen sich selbst „zwei schelmische Brüder im Geiste“. Ihre Güte, ihre zutiefst ehrliche Freundlichkeit und ihr Humor machen einen großen Teil des Charmes dieses ungewöhnlichen, kleinen Dokumentarfilms aus, in dem es auch um die Wurzeln des persönlichen Glücks geht.

Louie Psihoyos und Peggy Callahan begleiten die beiden Würdenträger über beinahe eine Woche. Diese Aufnahmen aus dem Jahr 2015, als der leider mittlerweile verstorbene Desmond Tutu den Freund zu dessen 80. Geburtstag im indischen Exil besuchte, wurden bisher nie gezeigt. Ergänzt werden sie durch ansprechend und liebevoll gestaltete Animationen sowie mit Archivaufnahmen, über die geschickt und beinahe beiläufig die Biografien der beiden erzählt werden: zwei bewegte Leben voller Tragik und Verzicht, aber auch voller Engagement und Energie. Zusätzlich gibt es Gespräche mit engen Vertrauten wie mit Desmond Tutus Tochter Mpho Tutu van Furth oder mit dem langjährigen Übersetzer des Dalai Lama, Thupten Jinpa Langri, sowie mit Wissenschaftlern und Weggefährten. Und warum treffen sich der Erzbischof und der Dalai Lama? „Wir möchten unsere Freundschaft genießen und vielleicht über Freude sprechen“, sagt Desmond Tutu zu Beginn. Das passt genau zu den bescheidenen Grundwerten, nach denen beide leben und handeln.

Gemeinsam mit Douglas Abrams, Desmond Tutus langjährigem Co-Autor, der ebenfalls im Film zur Sprache kommt, haben die beiden den Bestseller „The Book of Joy“ geschrieben, der 2016 erschien, 2019 auch in deutscher Übersetzung. Das Treffen im Jahr 2015 hat also auch einen sehr realen Hintergrund – denn schließlich arbeiten die beiden an ihrem Buch, auch wenn sich die beiden Hauptpersonen Zeit für Ausflüge, Essen mit Freunden oder andere Unternehmungen nehmen. „Zusammen haben die beiden die Energie von zwei achtjährigen Jungen“, sagt Desmond Tutus Tochter einmal, und sie hat absolut recht. Die beiden genießen sehr offensichtlich jede gemeinsame Minute. Oder wie es an anderer Stelle heißt: „Globale spirituelle Herrscher haben wenig Zeit, mit ihren Kumpels abzuhängen.“ Dabei gibt es auf den ersten Blick nur wenige Gemeinsamkeiten. Da ist der buddhistische Mönch, geboren als Bauernsohn, mit 2 Jahren als Reinkarnation des Dalai Lama entdeckt und schon als Junge zum geistigen und politischen Herrscher von Tibet inthronisiert: Er war ein einsames Kind in einer von Askese und Ritualen bestimmten Welt. Und da ist der anglikanische Geistliche aus Südafrika, Sohn einer Familie, die von Gewalt geprägt war, ein Mann, der für seinen Kampf gegen die Apartheid im Gefängnis saß. Beide ruhen in sich, aber mit offenem Blick für alles um sie herum, sie verkörpern Gelassenheit und Zufriedenheit. Wohlbefinden, so sagen sie, ist eine Fähigkeit, die man erlernen muss und kann. Der Geist benötigt gute Pflege, und Gelassenheit kommt nicht von allein, man kann sie wie einen Muskel trainieren. Die Perspektive wechseln, Ängste besiegen, nicht vor etwas fliehen, sondern sich dem Unabänderlichen stellen und es positiv bewerten … Vieles von dem, was sie sagen, ist bekannt. Doch diese beiden leben so in sich ruhend für den Moment, dass sie der beste Beweis für den Wahrheitsgehalt ihrer Thesen sind. Ihre zutiefst ehrliche Mitmenschlichkeit ist beeindruckend. Und sie genießen das Miteinander, in Worten wie in Taten. Sie bleiben immer einander zugewandt, berühren sich häufig, stupsen sich an, wahren dabei aber immer den Respekt. Und auch wenn sie miteinander herumalbern, wird doch ganz klar: Diese beiden außergewöhnlichen Männer haben nicht nur einander, sondern der Menschheit viel zu sagen und zu geben. So wird der Film nach und nach zu einem inspirierenden Manifest: eine Art kleine, kurze Glücksschule.

 

Gaby Sikorski