Mit eigenen Augen

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Wenn von allen Seiten zunehmend mit Begriffen wie Fake News hantiert wird, wenn immer mehr Menschen sich bei fragwürdigen Quellen informieren, hat der öffentlich-rechtliche Journalismus besondere Verantwortung. Wie das ARD-Magazin „Monitor“ versucht, dieser Verantwortung gerecht zu werden, zeigt Miguel Müller-Frank in seiner strengen, zurückgenommenen Dokumentation „Mit eigenen Augen.“

Website: www.realfictionfilme.de

Deutschland 2020
Dokumentation
Regie & Buch: Miguel Müller-Frank
Länge: 110 Minuten
Verleih: Real Fiction
Kinostart: 11.11.2021

FILMKRITIK:

Seit 1965 strahlt der Westdeutsche Rundfunk im Hauptprogramm der ARD die Politsendung „Monitor“ aus, im Wechsel mit den ähnlichen Magazinen „Panorama“ und „Kontraste“, die von anderen ARD-Anstalten produziert werden. Alle drei, vier Wochen versuchen die Journalisten aus der in Köln beheimateten Redaktion, Licht auf die dunklen Gefilde von Politik und Wirtschaft zu strahlen, Skandale aufzudecken, Missstände anzuprangern.
In Zeiten der zunehmenden Beschleunigung in allen möglichen Bereichen, wirkt so ein selten ausgestrahltes Magazin fast anachronistisch, doch gerade die Möglichkeit, über einen langen Zeitraum recherchieren zu können, Zeit zu haben, um eine Geschichte möglichst genau zu erzählen, verleiht „Monitor“ eine besondere Rolle.

Wie gehen Redaktionsleiter und Moderator Georg Restle und seine Kollegen nun mit dieser Freiheit, aber auch dem Druck um? Wie versuchen sie kritische Berichte zu produzieren, die dennoch nicht so linksorientiert sind, wie es dem Magazin oft vorgeworfen wird? Hat sich durch das Internet, die sozialen Medien, die Jagd auf Schlagzeilen, etwas an der Arbeit verändert?

Diese Fragen trieben den Dokumentarfilmer Miguel Müller-Frank um, dem es nach langer Vorbereitungszeit gelang, die „Monitor“-Redaktion davon zu überzeugen, ihn zwei Monate in den Redaktionsräumen drehen zu lassen. Zusammen mit seiner Kamerafrau Laura Emma Hansen beobachtete Müller-Frank die Arbeit der Journalisten, in klassischer Direct Cinema-Manier, zurückhaltend, möglichst neutral und objektiv.
Und Müller-Frank filmte in einer besonders aufregenden Phase: Während der Dreharbeiten wurde der Kasseler Regierungspräsident Walter Lübcke von einem Rechtsradikalen ermordet, ein Ereignis, das die Republik erschütterte und die Nachrichten bestimmte. Auch die „Monitor“-Redaktion beschäftigte sich natürlich mit dem Mord, recherchiert Hintergründe, verfolgt erste Spuren zum Täter, will der Konkurrenz zuvorkommen, dabei aber keine Fehler machen.

Nie verlässt die Kamera die Büroräume, keine Außenrecherche begleitet Müller-Frank, kein Interview wird geführt, keine Erklärungen gegeben. Wie die „Monitor“-Redakteure mit der veränderten Situation des Journalismus umgehen bleibt dadurch offen, ob der Druck auf sie gestiegen ist, ob die Kritik an ihrer Arbeit Spuren hinterlässt – man kann es nur ahnen. Es ist Stärke und Schwäche des gewählten Ansatzes, dass nur beobachtet wird, das die Wochen zwischen zwei Sendungen vor allem aus immer neuen Redaktionskonferenzen und Besprechungen bestehen und Spannung vor allem durch die Genauigkeit der Beobachtung entsteht.

Nach und nach verändern sich die Stücke, an denen die Journalisten arbeiten, kommen neue Informationen hinzu, wird scheinbar sicheres hinterfragt, wird an Formulierungen gefeilt, bis auch der Redaktionsleiter zufrieden ist. Zäh ist das manchmal, aber genau das ist der Punkt. Der Versuch um Genauigkeit macht die Arbeit dieser und anderer Redaktionen aus, dass dabei dennoch Fehler passieren unvermeidbar. Doch wie sehr das Ziel, möglichst nah an den Fakten zu erzählen, die Arbeit der „Monitor“-Redaktion bestimmt, zeigt Miguel Müller-Frank in „Mit eigenen Augen“ auf eindringliche Weise.

Michael Meyns