Hugo Koblet

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„James Dean des Schweizer Radsports“ wird Hugo Koblet genannt - nicht nur wegen seiner charismatischen Wirkung, auch das tragische Ende im Auto am Baum ruft den Vergleich hervor. Regisseur Daniel von Aarburg erzählt in seiner eleganten Dokufiktion in faszinierenden historischen Bildern von einem Ausnahmesportler und einem gebrochen Menschen.

Webseite: www.hugokoblet.de

Schweiz 2010
Regie: Daniel Von Aarburg
Darsteller: Manuel Löwensberg, Sarah Bühlmann, Max Rudlinger
Länge: 98 Min. OmU
Verleih: One Filmverleih
Kinostart: 17. Juli 2014

FILMKRITIK:

Die Radsport-Legende Hugo Koblet (1925-1964) gewann 1950 als erster Ausländer den Giro d’Italia. Der Bäckersohn aus Zürich wird schlagartig berühmt. Dabei begeistert die Leichtigkeit seiner Erfolge ebenso wie die Eleganz seines Aussehens. Bilder mit dem Kamm, der im Trikot mitfuhr, sind typisch für ihn. Im nächsten Jahr gewinnt er auch die Tour de France. Nebenbei und zwischendurch hat haufenweise Groupies, vernascht nach schweren Rennen Vanille-Eis und die Kellnerin, statt sich massieren zu lassen. Stilprägend auch seine Heirat mit dem Mannequin Sonja Bühl, die nach vielen anderen schönen Frauen kam.
 
So ist die Geschichte von Hugo Koblet auch eine von Aufstieg und Fall, eine Ikarus-Geschichte. Denn nach einem frühen Ende der Karriere wollte er als Tankstellenbesitzer immer noch schillern und Größeres. Als auch seine Ehe scheitert, verunglückt er aus bis heute ungeklärten Gründen tödlich mit seinem Sportwagen.
 
Der tragische Held in dieser Radsport-Geschichte ist zwar nicht Lance Armstrong (wie in dem erwarteten Film von Stephan Frears). Aber nicht nur für die Schweizer ist auch Koblet eine Legende. Die Siege des Züricher Ausnahme-Radrennfahrers haben für Schweizer immer noch den gleichen Rang wie das „Wunder von Bern“ für die Deutschen. So sah man schon vor der Premiere auf dem Festival in Locarno Hobby-Radfahrer mit den Retro-Trikots von Koblets Cilo-Team in der Stadt.
 
Regisseur und Autor Daniel Von Aarburg, der in seinen Filmen bislang oft von Immigranten erzählte, gelingt zum „Pédaleur de charme“ ein sehr charmanter und reizvoller Film: Seine Dokufiktion „Hugo Koblet“ nutzt nun tolles Archivmaterial, das die Rennfahrer klassisch heroisiert. Homogen mit den Originalaufnahmen wurden die Spielszenen im Stil von Filmen der 50er Jahre inszeniert. Fiktionalisiert wurden vor allem Schlüsselszenen rund um dunkle Punkte in Koblets Biographie, seinem Verhältnis zu den Frauen, insbesondere auch zu seiner Mutter, den Dopinggerüchten und schließlich dem immer noch mysteriösen Tod. So entsteht ein zwiespältiger und damit interessanter Charakter auf der Leinwand auf, was für einen Film immer wichtiger ist, als ein Klammern an vermeintliche historische Wahrheiten.
 
Zudem hat, wie es der Regisseur erzählt, Koblet „über seine großen internationalen Erfolge in Ich-Form eine Art Renntagebuch geführt, das jeweils unmittelbar im Anschluss der Rennfahrten in Heftform erschienen ist. Diese Renntagebücher bildeten Inspiration und Grundlage seines inneren Monologs im Film.“
 
Während die Spielszenen von den jungen Jahren an, in denen Koblet mit dem Rad Backwaren ausfährt und sich zwischendurch mit Nachbarsjungen Rennen liefert, die gleiche Faszination historischer Rekonstruktion atmen, die auch „Das Rennrad“ („Le vélo de Ghislain Lambert") auszeichnet, denkt man bei den Interviews mit Zeitzeugen und Konkurrenten, der dritten Ebene, unweigerlich an die sich selbst karikierenden Seniorsportler aus Bernd Mosblechs Grimme-Preisträger „Alte Kameraden“. Vor allem der ewige Konkurrent in der „K&K-Epoche“ des Schweizer Radsports, Ferdy Kübler (geboren 1919), wirkt wenig glaubwürdig, wenn er behauptet, alle hätten gedopt, nur er verdanke seine Erfolge allein dem früh in Bett gehen. Das Thema Doping spielte selbstverständlich auch für die Karriere Koblets eine große Rolle, wobei der Begriff ganz anders belegt war: Mehr als abwesende Kontrollen und Moral setzten die Körper der Sportler den gefährlichen medizinischen Experimenten eine Grenze. Man könnte es kurz fassen: Koblet wurde kaputt gespritzt.
 
Wenn alte und altkluge Biedermänner posthum Rechnungen mit dem zu schillernden Sieger begleichen, ist dies auch ein Porträt Schweizer Mentalitäten. Nur Koblets persönlicher Wasserträger und Sechstage-Partner Armin von Büren steht in Interviews und Spielszenen zum Freund. Er und auch die bekannte Filmschauspielerin Waltraut Haas („Es liegt was in der Luft“ 1950, „Du bist die Rose vom Wörthersee“ 1952), die wie viele auch ein Verhältnis mit dem Charmeur hatte. Das gelungene Zusammenspiel all dieser Facetten einer vielschichtigen Persönlichkeit macht „Hugo Koblet“ jenseits aller Genre-Grenzen und auch über die Faszination eines besonderen Sportfilms hinaus zur sehenswerten Geschichte.
 
Günter H. Jekubzik