Das Fieber

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Nicht nur wichtig, sondern richtig gut: Im Mittelpunkt des fesselnden Dokumentarfilms steht die Bekämpfung der Malaria. Dabei geht es weniger um die Krankheit selbst als vielmehr um die Menschen vor Ort – oft Frauen. Katharina Weingartners engagierter Film ist gut gemacht und toll recherchiert, aber er ist vor allem eines: erschütternd in seiner sehr einfachen Aussage, die da lautet: Das Geld für die Forschung gehört nach Afrika, damit die Betroffenen selbst ihre Probleme lösen können. “Das Fieber” bietet zusätzlich einen optimistischen Ansatz, der sichtbar macht, mit welchen einfallsreichen und effizienten Methoden die Malaria bekämpft wird, wobei global operierende Pharmakonzerne eine sehr unrühmliche Rolle spielen.

Website: https://fieber.wfilm.de/

Dokumentarfilm
Österreich, Deutschland, Schweiz 2019
Buch, Regie: Katharina Weingartner
Kamera: Siri Klug
Musik: Ayub Ogada, Cinderella Sanyu
99 Minuten
Verleih: W-film
Start: zum Weltmalariatag ab 25.04.2021 im Online-Kino – mit Beteiligung der Kinos

FILMKRITIK:

Eine Frau spricht über ihr malariakrankes Kind, als ob es vor ein paar Tagen noch herumgesprungen wäre. Aber es ist tot, als Baby gestorben – heute wäre es 18 Jahre alt, erinnert sich die Mutter; der Schmerz ist geblieben. Alle 60 Sekunden stirbt in Afrika ein Kind an Malaria. Besonders betroffen ist die Region südlich des Äquators. Schuld daran ist ein Parasit aus dem Victoriasee mit dem zunächst harmlos klingenden Namen „Plasmodium falciparum“, der sich mit Vorliebe in der Brut von Stechmücken ansiedelt. Die Mücken infizieren Menschen durch ihre Stiche, kleine Kinder sind besonders empfindlich. Durch die Veränderungen des Ökosystems infolge der Kolonialisierung, durch Abholzung von Wäldern und Monokulturen in der Landwirtschaft verschärfte sich das Problem.

Es gibt Möglichkeiten der Prophylaxe und der Heilung, auch jenseits der Schulmedizin. Vor Ort, in den besonders betroffenen Ländern Uganda und Kenia, arbeiten viele Menschen daran, Krankheitsausbrüche zu verhindern oder wenigstens zu mildern. Dafür machen sie sich Kenntnisse der Kräuterheilkunde und biologischer Zusammenhänge zunutze. Das wichtigste Mittel gegen die Krankheit ist Artemisia, eine Art Zitronengras. Tee aus Artemisia schmeckt zwar bitter, schützt aber sicher vor der Krankheit. Rehema Namyalo ist selbst Mutter und betreibt eine kleine Kräuterklinik. Unermüdlich reist sie umher, klärt über die Krankheit auf, verteilt Pflänzchen und gibt gute Ratschläge. Ihre These: Jeder kann selbst Artemisia anbauen und damit sich selbst und seine Familie beinahe kostenlos vor der Malaria schützen. Dafür bekommt Rehema keine Unterstützung, weder vom Staat noch von irgendeiner Hilfsorganisation.

90 % der Forschungsgelder zum Thema Malaria in Afrika landen nicht in den betroffenen Staaten, sondern in Ländern wie Deutschland oder USA, wo die Pharma-Industrie ein großes Interesse daran hat, den Kuchen mit möglichst wenig anderen zu teilen. Forschende Mediziner in Afrika werden auf diese Weise zu Handlangern degradiert, vorhandene Gelder fließen nicht dorthin, wo sie gebraucht werden, sondern dorthin, wo es zwar keine Malaria gibt, aber dafür Pharmakonzerne, die an der Krankheit verdienen.

Der toll recherchierte Film von Katharina Weingartner nimmt nicht die Position der Besucher oder Gäste ein, die sich mit dem Blick von Touristen dem Thema nähern. Sie berichtet aus Sicht der Einheimischen und verzichtet darauf, farbenfrohes Elend, das leider noch immer häufig Filme über Afrika beherrscht, oder irgendeine Exotik herauszustellen. Stattdessen berichtet sie aus Sicht der Betroffenen selbst – und obwohl das eigentlich selbstverständlich sein sollte, fällt es auf, und zwar extrem positiv. Sie lässt die Menschen selbst sprechen und das Publikum an ihrem Leben teilnehmen, sie zeigt ihren Alltag und nicht nur die einfallsreichen und effizienten Möglichkeiten, um (vielleicht) die Malaria zu besiegen, sondern auch ihren Kampf um Selbstbehauptung. Und sie zeigt die Hintergründe. Es gibt relativ wenig typische Interviewsituationen, so dass viel Zeit bleibt für einen intensiven Blick in das reale Leben der Menschen.

Auch angesichts der Corona-Pandemie lädt der Film ein, Parallelen und Unterschiede zu finden: Eine weltweit operierende Pharma-Industrie hat die Malaria offenbar mit Beschlag belegt. Sowohl die WHO als auch die führenden Industrienationen inkl. China spielen dabei eine mehr als dubiose Rolle. Obwohl zahlreiche Informationen dazu geliefert werden und die Spurensuche zum Kampf gegen Malaria beinahe um die ganze Welt führt, stehen die Protagonisten aus Afrika im Vordergrund, darunter erfreulich viele Frauen. Doch auch die männlichen Wissenschaftler und Mediziner vor Ort sehen sich mit staatlich kontrollierten Maßnahmen und Restriktionen konfrontiert. Katharina Weingartner macht sich die Probleme der Menschen vor Ort zu eigen und erzählt eine aufrüttelnde Geschichte mit sehr viel Intensität. Und mit einigen Hoffnungsschimmern, die optimistisch stimmen.

Gaby Sikorski