Alma und Oskar

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Das intensive Drama erzählt von einer ebenso umstrittenen Frau: Alma Mahler – für die einen das berühmteste Groupie aller Zeiten, die absolute Herrscherin aller Salondamen in der KuK-Monarchie des beginnenden 20. Jahrhunderts, für die anderen ein verkanntes weibliches Genie, das sich der Männerwelt beugen musste. Im Mittelpunkt des Films steht ihre Affäre mit dem obsessiven Maler Oskar Kokoschka. Liebe, Leidenschaft und Sinnlichkeit – eine Beziehung jenseits aller Konventionen über eine der interessantesten Frauen der europäischen Kulturlandschaft.

Österreich, Schweiz, Deutschland, Tschechien 2022
Regie: Dieter Berner
Drehbuch: Hilde Berger (nach ihrem Roman „Ob es Hass ist solche Liebe“), Dieter Berner
Darsteller: Emily Cox, Valentin Postlmayr, Anton von Lucke, Táňa Pauhofová
Kamera: Jakub Bejnarowicz
Musik: Stefan Will

Länge: 88 Minuten
Verleih: Alamode Film
Start: 6. Juli 2023

FILMKRITIK:

Kaum ist Gustav Mahler gestorben, lässt seine Witwe Alma die Totenmaske fertigen, so wie es im vornehmen Wien um 1910 üblich ist. Der junge Allroundkünstler Oskar Kokoschka erhält den Auftrag, und schon kurze Zeit nach der ersten Begegnung beginnt eine stürmische Affäre, in der die traditionellen Rollen vertauscht sind: Alma ist ein weiblicher Don Juan, und Oskar verfällt ihr vollkommen. Er ist eifersüchtig, will Alma für sich allein und kann ohne sie nicht arbeiten – die ganze Palette der Obsessionen, ein kompromissloser Liebhaber, der entweder alles will oder nichts. Sie verlobt sich dennoch mit Walter Gropius und sieht ihre Beziehung zu Oskar mit nüchternem Blick auf die Realität. Was soll sie, die geachtete Witwe eines anerkannten musikalischen Genies, mit einem viel jüngeren dahergelaufenen Künstler? Auch wenn die beiden eine ungeheure erotische Anziehungskraft verbindet, denkt Alma absolut nicht daran, sich ihrer Leidenschaft zu ergeben. Nur sie selbst bestimmt über ihr Leben, und ob Oskar dazugehören darf, bleibt ihre eigene Entscheidung. Doch so schnell gibt Oskar nicht auf.

Hilde Berger und Dieter Berner haben bereits vor einigen Jahren gemeinsam – ebenfalls nach einem der Bücher der Autorin – erfolgreich den Film „Egon Schiele – Tod und Mädchen“ realisiert. Doch hier kommt kein Künstler-Biopic im üblichen Sinn, auch wenn es eigentlich immer um die Kunst geht. Im Mittelpunkt steht diesmal mit Alma Mahler eine Frau, die ihrem Verstand mehr vertraut als ihren Instinkten und die sich weder um Konventionen noch um Traditionen schert – das Gegenteil dessen, was die Gartenlaubenromantik um 1910 von einer Dame der Wiener Gesellschaft erwartet. Sie ist die femme fatale der Wiener Secession, nicht nur Inspiration und Muse, sondern auch Geliebte von führenden Künstlern ihrer Zeit.

Einerseits fördert und verwaltet Alma mit viel Engagement das Erbe ihres verstorbenen Mannes, andererseits amüsiert sie sich auch nach Kräften. Im Herzen ebenfalls eine Künstlerin, die davon träumt, selbst wieder zu komponieren, ist sie offen für alles Neue; der Expressionismus erregt ihre Aufmerksamkeit, und der junge, ungestüme Oskar Kokoschka ist ein Symbol dafür. Emily Cox spielt Alma als spannende Persönlichkeit mit sprödem Charme, die genau weiß, was sie will. Und dazu gehört keinesfalls, sich irgendwelchen Gefühlen zu ergeben. Valentin Postlmayr als Kokoschka ist zu Beginn mehr der rustikale, hübsche Bauernjunge als ein sensibler Künstler. Seine animalische Triebhaftigkeit stößt Alma gleichzeitig ab, zieht sie an und fordert sie heraus. Doch von einem Mann, mit dem sie leben will, erwartet Alma deutlich mehr als Sex. Sie gibt sich nicht hin, sie kämpft – um ihre Freiheit und um ihre Unabhängigkeit. Dass sie damit Oskar immer stärker provoziert, nimmt sie dabei in Kauf – ihre gegenseitige Leidenschaft macht Oskar noch produktiver und zum Schöpfer unsterblicher Kunstwerke, in denen er ihre Liebe verewigt. Doch letztlich muss Kokoschka eine Episode bleiben – nach ihrer Ehe mit Walter Gropius heiratet Alma Mahler den Schriftsteller Franz Werfel. Als Alma Mahler-Werfel wird sie schließlich selbst unsterblich. Hilde Berger und Dieter Berner zeichnen in dramatischen und sinnlichen Bildern die spannende – und wahre – Geschichte einer Affäre nach, die in einer lebenslangen Freundschaft endete.

 

Gaby Sikorski