Caché

Frankreich/Österreich/Deutschland/Italien 2005
Regie: Michael Haneke
Mit: Juliette Binoche, Daniel Auteuil, Maurice Benichou, Annie Giradot u.a.
Länge: 117 Min.
Verleih: Prokino

Filmfestspiele Cannes 2005: Preis für die beste Regie, Preis der internationalen Filmkritik FIRPRESCI, Preis der ökumenischen Jury

Die Schuld der Vergangenheit als Bedrohung in der Gegenwart. Nach dem düsteren und sperrigen „Wolfszeit“ hat Michael Haneke ("Die Klavierspielerin") mit CACHÉ ein spannendes Vexierspiel über Schuld und Sühne mit Anleihen beim Thriller-Genre inszeniert. Der Film gehört zu Hanekes zugänglicheren Werken und ist mit Juliette Binoche, Daniel Auteuil und Annie Giradot hochkarätig besetzt.

Michael Haneke ist einer der wenigen Regisseure, der in der Lage ist, die Macht der Bilder für seine moralischen Zwecke zu nutzen und gleichzeitig diesen Nutzen kritisch zu hinterfragen. Die Grenzen filmischer Narration werden akribisch ausgelotet und das Moment der Irritation gerät zur ständigen intellektuellen Herausforderung für den Zuschauer.

So beginnt auch CACHÉ mit einer Einstellung, die nur scheinbar vorgibt, das zu sein, was sie eigentlich ist. Fast hat man sich an die Beliebigkeit der Straßenansicht, über die der Vorspann läuft, gewöhnt, bis dann plötzlich vor- und zurückgespult wird. Es wird klar: hier schaut sich jemand Videoaufnahmen an. Und die sind von seinem eigenen Hauseingang. Seit einiger Zeit werden dem erfolgreichen Fernsehmoderator eines Literaturmagazins, Georges Laurent, anonym Videobänder zugesandt inklusive einer bedrohlich wirkenden Kinderzeichung. Eine stille Art des Terrors, die ihre Wirkung nicht verfehlt. Georges Familienidyll mit Frau und Kind bekommt angesichts dieser unheimlichen Überwachung von unbekannt Risse. Langsam stellt sich heraus, dass ein dunkler Punkt in Georges Kindheit, die Ursache dafür ist. Die Schatten der Vergangenheit legen sich nun nicht nur über sein eigenes Leben...

Zuviel verraten sollte man nicht über Hanekes neuen Film, zu spannend ist das Vexierspiel über Schuld und Sühne. Mit den Mitteln des Thrillers nimmt er sich den Themen Vergessen und Verdrängung an, natürlich nicht ohne darauf hinzuweisen, dass die Wahrheit irgendwo unter der Oberfläche schlummert. Gnadenlos verteilt er dabei Seitenhiebe auf aktuelle Medienberichterstattung, schlägt den Bogen vom Algerienkonflikt bis zum Irakkrieg und entlarvt eine nur aus Scheinbildern und Lügen zusammengesetzte Wirklichkeit. Mit Samthandschuhen fasst er den Zuschauer dabei wahrlich nicht an. CACHÉ wartet im letzten Drittel des Films mit einem Schockmoment auf, der zu den eindringlichsten der zeitgenössischen Filmgeschichte gehört und den Betrachter nachhaltig paralysiert.

Oft wird Haneke, der sich in Interviews auch schon mal als „radikaler Moralist“ bezeichnet hat, penetrante Didaktik vorgeworfen. Doch selbst in seinen weniger zugänglichen Filmen wie „Code: unbekannt“ oder auch seinem letzten Film „Wolfszeit“ spürt man immer den selbstreflexiven Ansatz. Es werden mehr Fragen gestellt, als Antworten gegeben. Der Wahrheitsgehalt der Bilder wird durch sie selbst ad absurdum geführt. Eine nötige kritische Umgangsweise mit dem Medium Film wird damit beim Betrachter eingefordert. Auch einen gewissen grimmigen Humor kann man Haneke nicht absprechen. Vor der Vorführung in Köln zur Eröffnung des Medienkongresses der Filmstiftung NRW wünschte er den Zuschauern, dass sie der Film unbefriedigt entlässt und er lange in den Köpfen nachwirkt. Genau das ist ihm mit CACHÉ dann auch gelungen.

Eric Horst