Chasing Paper Birds

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„Du bist verrückt mein Kind, du musst nach Berlin,“ heißt es. Die Welt der hedonistischen Figuren aus „Chasing Paper Birds“ trifft der Spruch auf den Kopf. In ihrem Spielfilmdebüt begleitet Mariana Jukica drei Strauchelnde durch eine Berliner Partynacht voller Drogen und Sex, die sich zu einer emotionalen und psychischen Abwärtsspirale entwickelt. Der überreizte Episodenfilm über Party People am Rande des Nervenzusammenbruchs lief 2020 im Wettbewerb des „achtung berlin“-Festivals.

Website: www.dejavu-film.de/aktuelle-filme/chasing-paper-birds

Deutschland 2021
Regie und Buch: Mariana Jukica
Darsteller/innen: Vladimir Burlakov, Henrike von Kuick, Lucie Aron, Florian Bartholomäi, Jacob Matschenz, Katharina Sporrer, Albrecht Schuch, Mario Klischies, Pit Bukowski
Laufzeit: 123 Min.
Verleih: déjà vu Filmverleih
Kinostart: 4.11.2021

FILMKRITIK:

Sommer in Berlin. Für die französische Nachwuchstänzerin Mia (Lucie Aron) birgt der Tag ein Liebesdrama mit ihrem Freund (Mario Klischies), das geradewegs in eine handfeste Paranoia führt. Die DJane Keks (Henrike von Kuick) flüchtet sich hingegen in einen Drogenrausch, als Flo (Florian Bartholomäi) die Beziehung per Trauring besiegeln will. Parallel fiebert der Videokünstler Ian (Vladimir Burlakov) seiner Geburtstags-Performance entgegen, doch nur Sandy (Katharina Sporrer) besucht das Event.

Schon der englische Titel zeigt an, dass „Chasing Paper Birds“ die Hauptstadt als internationales Biotop in Szene setzt. Wie im Berlinale-Hit „Victoria“ wird viel Englisch gesprochen, dazu Deutsch, Französisch und Russisch. Die Regisseurin Mariana Jukica, als Tochter kroatischer Eltern bei Toronto aufgewachsen, zog 2011 nach Berlin und ließ sich beim Skript von eigenen Erlebnissen und Anekdoten inspirieren. Die Crew akquirierte die Co-Betreiberin eines After-Hour-Clubs in ihrem Dunstkreis, gedreht wurde ohne klassische Finanzierung in Locations der Berliner Clublandschaft. Vor der Kamera versammelt Jukica einige aufstrebende bis bekannte Gesichter: Lucie Aron („Berlin Syndrome“), Henrike von Kuick („Kokon“) und Vladimir Burlakov („Deutschland 86“) in den Hauptrollen, daneben Katharina Sporrer („Liebesfilm“), Florian Bartholomäi („Kahlschlag“) und Albrecht Schuch („Systemsprenger“), außerdem Jacob Matschenz („Undine“) und Pit Bukowski („Das Boot“) mit Gastrollen.

Allerdings macht das Ensemble die problembehafteten Figuren nur ansatzweise greifbar. Erzählerisch bleibt vieles so unverbindlich und letzthin banal wie Yoga im Altbau und Keta im Club oder Ians dramatische Schminke, die ihn als schlaffe Kopie des Jokers auszeichnet. Spannender ist die Inszenierung, die den Exzess mittels Unschärfen und einer oft wankenden Kamera einfängt. In der Manier zitierter Vorbilder wie „Lola rennt“ oder „Requiem for a Dream“ spielt Mariana Jukica mit der filmischen Form. Schnell geschnittene Stimmungsszenen und Parallelmontagen pushen den Plot nach vorn, dazu dröhnt viel aktuelle Clubmusik. Eine nette Fingerübung.

Christian Horn