Dark Horse

Dänemark/Island 2005
Regie: Dagur Kári
Darsteller: Jakob Cedergren, Tilly Scott Pedersen, Nicolas Bro, Morten Suurballe, Nicolaj Kopernikus, Bodil Jørgensen, Anders Hove, Kristian Halken
s/w, 109 Minuten
Verleih: Neue Visionen
Kinostart am 12.1.06
www.neuevisionen.de

Schon in seinem vorherigen Film „Noi Albinoi“ über einen isländischen Loser setzte Regisseur Dagur Kári auf die Trumpfkarte herrlich lakonischen Humors in einer realitätsfremden Welt. Die Komödie „Dark Horse“ steht dem in nichts nach, ist stilistisch noch ausgereifter und bis auf einen kurzen Moment in beeindruckendem schwarz-weiß gedreht. Wieder konfrontiert Kári seine Antihelden mit der Verantwortung für ein bürgerliches Leben und zeigt Konflikte auf, die sie als Individuen auszufechten haben.

Angesiedelt ist „Dark Horse“ diesmal nicht in Káris Heimat Island, sondern in Kopenhagen. Hier hält sich Daniel (Jakob Cedergren) mit dem sprayen von Liebeserklärungen an Häuserwände für die Angebeteten seiner Auftraggeber über Wasser, mit seinem kleinen Fiat 500 tuckert er gemütlich durch die Stadt und erklärt in seiner Unbekümmertheit Polizisten, die ihn beim Falschabbiegen gestoppt haben, er sei Legastheniker. Nein, großartig Sorgen macht sich der in den Tag hineinlebende Künstler Daniel nicht. Sein Freund Roger (Nicolas Bro), von allen Opa genannt, ist da ganz anders. Regeln und Ordnung sind ihm wichtig, was sich nicht zuletzt auch in seinem Hobby als Fußballschiedsrichter ausdrückt. Dass Opa auch in seiner Freizeit in entsprechender Montur herumläuft und die Dinge ernster nimmt, als sie scheinen, verleiht ihm in Verbindung mit seinem übergewichtigen Äußeren den Anschein einer tollpatschigen Slapstickfigur. Überhaupt münden etliche Szenen in komische Momente, beispielsweise jene Situation, in der Opa bei seiner praktischen Schiedsrichterprüfung die Fassung verliert, weil er für ihn unerwartet ein Frauenspiel pfeifen soll. Auch als ihm Franc (Tilly Scott Pedersen), die später Daniels Freundin wird, im Zustand heftig wirkender halluzinogener Pilze eine Liebeserklärung macht, verwirrt ihn das derart, dass er die Flucht ergreift.

Statt einer zusammenhängenden Handlung ist „Dark Horse“ jedoch eher episodisch aufgebaut und in Kapitel mit Titeln wie „Daniel gegen das System“, „Versuchskaninchen“, „Rote Karte“ oder auch „Dark Horse“ geteilt. Nachdem Daniel von Zivilfahndern beim Sprayen erwischt wurde und zu gemeinnütziger Arbeit verurteilt wird, widmet sich der Film auch der Richterfigur (Morten Surrballe) eingehender, auch wenn auf den ersten Blick nicht sofort ersichtlich wird, welche Aussage Kári damit verfolgt. Klar wird das erst mit jenem Moment, als der Richter die Gelegenheit nutzt, für einen kurzen Moment seinem geordneten bürgerlichen Familienleben zu entfliehen – sprichwörtlich zu entschweben gar -, zunächst aber nichts damit anzufangen weiß. Umgekehrt wird Daniel mit der Schwangerschaft seiner Freundin konfrontiert, was ihn zu der entzückenden Aussage verleitet: „Wie soll ich Papa werden, ich kennen noch nicht einmal den Namen unseres Ministerpräsidenten.“ Inmitten einer spanischen Einöde versucht Daniel sich über diesen wichtigen Schritt in seinem Leben Klarheit zu verschaffen. Ein alter Mann sagt zu ihm: „Du bist ein Glückspilz, ich sehe das in deinen Augen.“

Der Satz, der „Dark Horse“ am besten charakterisiert, stammt jedoch von einem französischen Pianisten, der hier in einer Szene aus einem Fernsehschirm flimmert. „Das Stück sollte eher geträumt als gespielt werden.“ Tatsächlich lässt Dagur Kári seine Hauptfiguren wie durch einen Traum wandeln, lässt sie ein Leben in ihrer eigenen Vorstellungswelt führen. Die harte Realität, sie hat hier selten Platz, und wenn, dann bricht sie sich mit einem karikierenden Lachen Bahn. Was in jedem Fall gefällt ist die konsequente, bisweilen an frühe Jarmusch-Filme erinnernde Umsetzung in 16 mm und grobkörnigem Schwarz-Weiß, die mit ihrem nostalgischem Touch durchaus beabsichtigt an die Nouvelle Vague erinnert und dem gesamten Film den Anstrich eines eigenwilligen Traums gibt. Wie gehabt trägt auch der melancholisch verspielte Soundtrack von Dagur Kári und seiner Band „Slowblow“ – deren Song „Dark Horse“ dem Film seinen Namen und die Überschrift des letzten von zwölf Kapiteln schenkte – zum Gelingen dieses sich sympathischen Außenseitern widmenden Filmkunstwerkes bei.

Thomas Volkmann