Der Esel hieß Geronimo

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Angezogen von der Schönheit und idyllischen Lage einer Insel wagen fünf Deutsche Mitte der 00er-Jahre das ganz große Abenteuer: Sie pachten die Insel und bewirtschaften sie. Das Leben auf engstem Raum geht einige Zeit gut – bis es unter den Inselbewohnern zum Bruch kommt. Die Doku „Der Esel hieß Geronimo“ erzählt ihre Geschichte. Es ist eine skurrile Geschichte voller schrulliger Figuren, die sich wehmütig nach ihrem Paradies zurücksehnen.

Webseite: www.gmfilms.de

Deutschland, Schweiz 2018
Regie Drehbuch: Arjun Talwar, Bigna Tomschin
Mitwirkende: Bimsara Pasqual, Olaf Kienke, Lars Lieberich, Rüdiger Fleck
Länge: 80 Minuten
Kinostart: 19. September 2019
Verleih: Gmfilms, Vertrieb: Barnsteiner-Film

FILMKRITIK:

Auf einer kleinen Insel in der Ostsee lassen sich einige Menschen nieder, die den großen Traum von Freiheit, Unabhängigkeit und einem Leben im Einklang mit der Natur hegen. Angelockt von diesen Verspechen, erkennen sie nach einiger Zeit, dass das abgeschiedene Leben auf engstem Raum auch Probleme birgt. Desillusioniert kehren sie schließlich aufs Festland zurück. Dort lebt jeder von ihnen mittlerweile wieder in seinem Schiff am Flensburger Hafen. Die Insel können sie bei klarer Sicht als kleinen Punkt am Horizont erkennen. „Der Esel hieß Geronimo“ erzählt die Geschichte dieser Abenteurer, die einen Weg zurück in die Zivilisation suchen.

Bei der Insel handelt es sich um die Ochseninsel, ein kleines, in der Flensburger Förde gelegenes dänisches Eiland. Die ursprünglich fünfköpfige Gruppe, alles Deutsche, pachtete sie 2004. Die geplante Pachtzeit belief sich eigentlich auf 25 Jahre, doch nach zwölf Jahren war die Gemeinschaft so zerstritten, dass auch der letzte Bewohner die Ochseninsel verließ.  Trotz der Aufkündigung des Pachtvertrags ist die Ochseninsel bis heute öffentlich zugänglich und ein beliebtes Touristenziel.

„Eine Insel hat immer zwei Seiten“, sagt einer der Interviewten im Film. „Die eine heißt Sommer und die andere heißt Winter“. Der Mann, einer der ehemaligen Inselbewohner, beschreibt damit eines der zentralen Probleme, die ein Weiterleben auf der Ochseninsel erschwerten: im Winter gestalteten sich die Bewirtschaftung und damit das Überleben als große Herausforderung. Viel weiter ins Detail gehen die Insulaner nicht, wenn sie darüber sprechen, wieso sie wieder zurück aufs Festland gekommen sind. Zwar deuten sie in unscheinbaren Nebensätzen immer wieder auch Streitigkeiten an, etwa mit dem Verpächter, doch den Rest muss sich der Zuschauer dazu denken. Was ist genau schiefgelaufen? Wer hatte was zu verantworten? Was waren die – angeblichen – Verfehlungen des Verpächters? Man erfährt es nicht.

Dieses vage Andeuten passt sich allerdings ganz wunderbar der Aura von „Der Esel hieß Geronimo“ an. Ein Film, der bis kurz vor Schluss die Insel als schwer greifbaren, mystischen Ort erscheinen lässt. Der Grund dafür ist, dass Regisseur Tomschin sehr lange keine Bilder von der Insel zeigt, über die aber ständig alle sprechen. Dieses dramaturgische Vorgehen ist geschickt, da er auf diese Weise viel Spannung erzeugt. In der Mitte des Films sieht man kurze, verwackelte (Privat-) Aufnahmen, die einen flüchtigen Eindruck von der Natur vor Ort gewähren. Und erst im Finale betreten einige der Ex-Pächter ihren früheren Sehnsuchtsort. Es ist eine emotionale, von Wehmut geprägte Rückkehr.

Durchzogen von Schwermut und Nostalgie sind auch die Gespräche der Seemänner, die in einfachsten Verhältnissen in ihren rostigen, alten Schiffen hausen. Trotz allem haben sie sich ihre Herzlichkeit und ihren schrulligen Charakter bewiesen. Bier trinkend und alte Geschichte erzählend hocken sie an Deck, in ihren Kombüsen oder liegen auf ihren Betten. Ihr Humor ist – typisch norddeutsch – trocken und lakonisch. Sie wachsen einem ans Herz und es bereitet große Freude, ihnen zuzusehen und zuzuhören. Die Botschaft des Films ist dabei ebenso knallhart und ehrlich: den einen, absolut paradiesischen Ort, an dem alles perfekt ist und sorgenfrei abläuft, gibt es schlicht nicht. Nirgendwo auf der Welt.

Björn Schneider