Die Bologna-Entführung – Geraubt im Namen des Papstes

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Es ist eine wahre Geschichte, die in „Die Bologna-Entführung“ erzählt wird. Eine, die vor ein paar Jahren sogar Steven Spielberg angehen wollte. Daraus wurde nichts, der italienische Regisseur Marco Bellocchio hat sich ihrer jedoch angenommen und erzählt von einem jüdischen Jungen, der im Auftrag des Papstes entführt, getauft und im katholischen Glauben erzogen wird. Herausgekommen ist ein eindrucksvoller Politthriller.

Webseite: https://www.pandorafilm.de/filme/die-bologna-entfuehrung.html

Rapito
Italien 2023
Regie: Marco Bellocchio
Buch: Marco Bellocchio, Susanna Nicchiarelli, Edoardo Albinati
Darsteller: Paolo Pierobon, Fausto Russo Alesi, Barbara Ronchi

Länge: 133 Minuten
Verleih: Pandora Film Verleih
Kinostart: 16. November 2023

FILMKRITIK:

Im Bologna des Jahres 1858 dringen Soldaten ins Haus der Familie Mortara ein. Sie entführen den siebenjährigen Sohn Edgardo, denn als Säugling wurde er klammheimlich von seiner Amme einem Priester zur Taufe übergeben. Das päpstliche Gesetz ist in der Beziehung unanfechtbar: Edgardo muss katholisch erzogen werden. Die Eltern sind verzweifelt, wollen ihr Kid zurück und setzen auch auf die Hilfe der internationalen jüdischen Gemeinde. Der Kampf um das Kind wird schnell politisch – doch der Papst hat nicht vor, das Kind zurückzugeben.

Marco Bellocchio hat mi „Die Bologna-Entführung“ einen Film erschaffen, der ein sehr ernstes und komplexes Thema aufgreift, aber sich nie darin verstrickt und auch vor der Nutzung gängiger Klischees zurückweicht. Er erzählt von einer Zeit, als die kirchliche Macht in Italien zu bröckeln begann, weswegen dieser Fall des entführten Jungen auch zu einem Politikum wurde, bei dem es nicht um das von der Kirche propagierte Seelenheil des Kinds, sondern um eine Konsolidierung der eigenen Macht ging. Kein leichtes Thema, aber eines, das Bellocchio ganz und gar im Griff hat.

Dabei verzichtet er auf simple Schwarzweißzeichnung. Die Taten des Papstes sind natürlich verdammenswert, aber die Art, wie der Junge in einem Konvent für Konvertiten aufgenommen wird, ist gänzlich anders. Er wurde entführt, aber die Kleriker im Konvent begegnen ihm, aber auch anderen Kindern mit Güte und einer Art von Liebe. Es wäre ein Leichtes gewesen, hier ein weit negativeres Bild zu zeichnen, aber das hat Bellocchio gar nicht nötig. Weil der Akt der Entführung schon wirkmächtig genug ist und alles andere in Frage stellt.

„Die Bologna-Entführung“ ist ein vielschichtiger, historisch sehr akkurater Film, der manches zu Gunsten der dramatischen Erzählung ein wenig vereinfacht, letzten Endes aber als politischer Thriller punkten kann. Weil er dem heutigen Publikum ein Verständnis dafür gibt, wie die Macht der Kirche sich fast bis in die Neuzeit gehalten hat – und was nötig war, um sie zu brechen und die Gesellschaft freier zu machen. Ein starker, emotional packender Film, der umso mehr elektrisiert, weil dies eine Geschichte ist, die wirklich passiert ist.

 

Peter Osteried