Dumplings – Delikate Versuchung

Hongkong 2004
Regie: Fruit Chan
Darsteller: Bai Ling, Miriam Yeung, Tong Ka-Fai Leung
91 Minuten
Verleih: 3L Filmverleih
Kinostart: 4.8.2005

Dass sie in Asien ungewöhnliche Dinge wie geröstete Maden, halb ausgebrütete Eier oder Hundefleisch verspeisen hat sich ja schon herumgesprochen. Auch dass zur Steigerung der Potenz diverse Mittelchen eingenommen werden, ist hinlänglich bekannt. Hongkong-Regisseur Fruit Chan fügt dem Speise- und Stimulierungsplan nun eine weitere Komponente hinzu. Im um das Thema Jugend- und Schönheitswahn kreisenden „Dumplings“ serviert er menschliche Föten.

„Delikate Versuchung“ nennt sich der von Wong Kar-Weis Hauskameramann Christopher Doyle in gewohnt schöne Bilder, Farben und Einstellungen umgesetzte Film im Untertitel – und weil’s um besonders köstliche Teigtaschen und ihre ästhetisch ansprechende Zubereitung geht, freut man sich wie so oft in Filmen mit kulinarischem Schwerpunkt darauf, dass einem beim Anblick der Köstlichkeiten das Wasser im Munde zusammen läuft. Die Ernüchterung folgt hier jedoch auf dem Fuß. Denn was in den Teigtaschen drin steckt, sind die Föten abgetriebener Embryos. Horror! Angeblich soll ihr Genuss ewige Jugend verheißen, Köchin Mei (exzellente Wahl: die zuletzt als Jurymitglied der Berlinale 2005 im Rampenlicht stehende Bai Ling) liefert dafür das beste Beispiel ab. Sieht aus wie Anfang 30, ist aber eigenen Aussagen zufolge bereits Mitte 60.

Bekocht wird in „Dumplings“ die ehemalige Schauspielerin Qing Li (Miriam Yeung), die sich von der Teigtaschenkur wieder Aufmerksamkeit und Liebe von ihrem mit jüngeren Frauen turtelnden Mann erhofft. Fruit Chan sieht seine beiden Hauptfiguren als Stellvertreterinnen eines neuen China an. So repräsentiert Frau Li die Schicht der neuen Reichen, Köchin Mei steht für die in schäbigen Wohngegenden hausende arme, meist auf der Suche nach Arbeit und Glück in die Städte gezogenen Unterschicht.

„Die Frau von innen heraus verschönern“ lautet die Devise für Meis Geheimrezept, dessen Zutaten sie sich durch die noch bestehenden Kontakte als ehemalige Gynäkologin einer Klinik beschafft. Im Einzelfall nimmt sie Abtreibungen auch selber vor. In solchen Szenen schwingt zwangsläufig auch eine leise Kritik an der chinesischen Geburtenkontrolle und dem Aberglauben über die Bedeutung von Söhnen oder Töchtern als Nachkommen mit. Etwaige Zweifel räumt die Spezialitätenköchin, in gewisser Weise eine Art moderne Hexe (was ihr Aussehen mit dem langen, leicht zerzausten Haar und dem eigenwilligen Verhalten unterstreicht), mit Sätzen wie „Ich denke ans Ergebnis, nicht an das, was es mal war“, aus.

Diesen Gedanken einfach so auszublenden wird dem Zuschauer hingegen schwer fallen. Der Genuss der Bilder und der zugegeben obskuren Geschichte tritt hinter den Ekel der in die Richtung von Kannibalismus weisenden Szenen zurück. Unschwer zu erraten, dass „Dumplings“ in China verboten ist. Was aber nichts daran ändert, dass Regisseur Fruit Chan hier eine extrem radikale Form gefunden hat, das inzwischen auch in China auf der Tagesordnung stehende Thema von Jugend- und Schönheitswahns aufs Tablett zu bringen.

Thomas Volkmann