Durchfahrtsland

Deutschland 2005
Regie: Alexandra Sell
Filmverleih: Real Fiction
Länge: 91 Minuten
Kinostart: 15. September

Wie sieht das Leben in der Provinz aus? Alexandra Sell begleitet vier Personen im Vorgebirge zwischen Köln und Bonn durch ihren Alltag und zeigt ihre Wünsche und Träume. Ein etwas träges Filmerlebnis, dass durch die Ambient-Klänge der Düsseldorfer Band Kreidler aber etwas luftig-leichter wird.

Zuhause ist es doch schönsten. Das denken zumindest viele deutsche Urlauber, wenn sie aus ihrem Urlaub zurückkehren und heimelig auf der Wohnzimmercouch sitzen. Dabei gibt es viele Gegenden und Landstriche, die zwar vor der eigenen Haustür liegen, aber noch nie von so genannten Ortskundigen besichtigt wurden.

“Durchfahrtsland³ ist ein Heimatfilm über die fremde Welt, die gleich vor dem Garten beginnt. Nur 20 Straßenbahnminuten sind es zum Beispiel vom Kölner Dom bis ins Vorgebirge  eine dieser Gegenden, durch die man fährt, um anderswo einen Ausflug zu machen. Wie sagte einst Johanna Schopenhauer 1828: “Der Weg zu Lande von Köln nach  unerachtet der schönen Chaussee auf welcher man ihn in weniger als vier Stunden zurücklegt  ist unbeschreiblich öde und langweilig³.

Auch zwei Jahrhunderte später fragt man sich als Zuschauer, was Regisseurin Alexandra Sell wohl dazu bewogen hat, ihren Dokumentarfilm in einer so wahrlich unspektakulären Gegend anzusiedeln. Zu meist grauen Bildern erzählt die weibliche Stimme aus dem Off mit einschläfernder Stimme von den vier Protagonisten, die mit allen Mitteln versuchen, ihren Platz in der Gemeinde zu erobern: Hans-Wilhelm Dümmer  der Pfarrer zweier Nachbardörfer, die seit Jahrhunderten verfeindet sind  wohnt auch im fortgeschrittenen Alter noch bei seiner Mutter und bemüht sich seit langer Zeit um eine Versöhnung zwischen den verschiedenen Dorfbewohnern. Erst durch die lange Busreise mit gemischten Gemeindemitgliedern in einen spanischen Wallfahrtsort rückt er seinem Ziel ein bisschen näher.

Sophia Rey arbeitet als Krimiautorin im Eigenverlag, doch ausgerechnet in ihrem Heimatdorf bleiben ihre Bücher weitgehend unbeachtet. Mit ihrem Smart und einer Ladung Literatur klappert sie die Lotto-Toto-Läden in den Gemeinden ab, stets bemüht, ihr neuestes Werk möglichst auffällig für die Kunden zu platzieren. Die Kamera begleitet sie auf ihren Rundfahrten, die sie auch zum einem Kriminalkommissar führt, dem sie knifflige Fragen über Mord und Totschlag für ihren nächsten Roman stellt. Aber man darf auch Zeuge ihres Privatlebens werden, zum Beispiel, wenn sie in knall-türkisenen Leggings und quietsch-bunten Hanteln ihr Fitnessprogramm im eigenen Wohnzimmer erledigt.

In diesen Momenten läuft “Durchfahrtsland³ zu großer Form auf, wenn man nicht wirklich sicher ist, ob diese Art der Realsatire auch wirklich so gewollt ist. Bemitleidenswert sind die vor allem beiden die beiden jüngeren Protagonisten: Mark Basisnky, der schöngeistige Außenseiter und gleichzeitig das jüngste Mitglied im Junggesellenverein, träumt davon, eines Tages Modedesign in Mailand zu studieren. Doch nur 60 Filmminuten erfährt man schon, dass es vorerst nur zu einer Ausbildung als Florist reicht.

Giuseppe Scolaro, trägt die Bürde Italiener zu sein, dabei hat er sich von Sprache und Kultur schon als Kleinkind losgesagt. Viel mehr wirkt er wie ein schwergewichtiger deutscher Musterknabe: Mit großer Leidenschaft ist er der erste Vorsitzende eines Spielmannzuges, doch die Bundeswehr ruft. Nach und nach bricht für Giuseppe seine kleine, heile Welt zusammen, die ihn von seiner Familie, aber auch von seinen einst geliebten Musikerkollegen entfremdet.

Regisseurin Alexandra Sell ist während der 90 Filmminuten immer hautnah an ihren Personen, ihren Geschichten und Gefühlen. Eine intime Studie über das Leben auf den Dörfern, das meist durch Ironie besticht, aber niemals böse oder vernichtend sein soll. Die hervorragende Ambient-Musik von Kreidler verleihen dem Film noch mehr Tiefe, der allerdings über manche Strecken langweilt.

Die Hemmschwelle zu überwinden, sich wirklich für das Thema des lethargischen Dorflebens zu interessieren ist nicht einfach. Am besten fährt man vorher mit dem Auto ein wenig durch die Vorstadt oder durch die Nachbardörfer, bevor man sich “Durchfahrtsland³ anschaut. Dann leuchtet vieles bestimmt besser ein.

David Siems