Ein Fisch, der auf dem Rücken schwimmt

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In kühlen Bildern zeigt Eliza Petkova die Geschichte einer Dreiecksbeziehung. Vater und Sohn lieben dieselbe Frau: Andrea, deren Gefühlslage ebenso unklar bleibt wie ihre Absichten. Es scheint, als ob sich Eliza Petkova weniger auf eine traditionell gebaute Filmdramaturgie verlassen möchte als auf ihre eigene Form einer distanzierten Visualisierung. Die Bilder, die sie findet, machen den Film dennoch interessant, ebenso eine bemerkenswert kalte Erotik, die von der Hauptdarstellerin Nina Schwabe ausgeht.

Website: https://www.missingfilms.de

Deutschland 2019
Buch und Regie: Eliza Petkova
Darsteller: Nina Schwabe, Theo Trebs, Henning Kober, Leon Ullrich, Anna Manolova
Verleih: MissingFilms
Länge: 103 Minuten
Kinostart: tbd

FILMKRITIK:

Andrea ist gerade bei Philipp eingezogen, dessen Frau vor einiger Zeit verstorben ist. Zusammen mit ihnen in der schicken Villa lebt Philipps erwachsener Sohn, Martin. Er trauert noch um die Mutter und kann zunächst kein Verständnis für den verliebten Vater aufbringen. Immer öfter jedoch beobachtet er Andrea, er fotografiert sie, spricht mit ihr und rückt ihr nicht nur sinnbildlich immer näher – es kommt, wie es kommen muss. Die Ménage â trois lässt allerdings unklar, ob und inwieweit Philipp darüber informiert ist, dass Andrea auch mit seinem Sohn ein Verhältnis hat. Jedoch wird die Haushälterin Nadja zur Mitwisserin. Während Philipp immer öfter beruflich unterwegs ist, entwickelt sich Martin zum eifersüchtigen, geradezu besessenen Liebhaber, der schließlich dafür sorgt, dass Nadja gehen muss. Im Verhältnis zum Vater legt es Martin immer öfter auf ein Kräftemessen an – mit seinen Chancen sieht es dabei ziemlich trübe aus. Da muss er schon mit unfairen Mitteln arbeiten, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Doch bei einem gemeinsamen Ausflug in die Sächsische Schweiz wird aus dem Mann Martin ganz schnell wieder der kleine Junge, der nach dem Papa ruft.

Wie Eliza Petkova ihren Film zum Abschluss bringt, ist zwar eine kleine Überraschung, aber schon zu Beginn wird angesichts zahlreicher verwendeter Symbole klar, dass hier kein Happy End zu erwarten ist. Die Figur der Andrea bleibt unklar, ebenso wie vieles andere. Andrea soll wohl rätselhaft sein, vielleicht sogar eine verkappte Femme fatale, die sich hinter der Maske einer sozial engagierten Erzieherin versteckt. Andrea arbeitet nämlich mit behinderten Kindern und Jugendlichen, was aber an sich keine Rolle spielt. Vom männermordenden Vamp hat sie ansonsten sehr wenig: Die gazellenhafte Nina Schwabe erinnert ein wenig an die junge Mia Farrow, sie spielt mit ruhigen, gelegentlich lasziven Bewegungen und viel Körperbewusstsein sehr souverän ein sexy Naturkind, das sich nach Sinnlichkeit und Leidenschaft sehnt, sie tanzt auch gleich zu Beginn im Regen – auch dies ein starkes Symbol, das gern bemüht wird, um Spontaneität und Sinnlichkeit zu demonstrieren. Später legt sie ein Buch zur Seite und zieht sich bäuchlings über den Parkettboden. Da war wohl die Lektüre nicht sehr interessant … Diese Szene erinnert ein wenig an das Märchen von der Seejungfrau, zumal das Wasser nicht nur für den Titel des Films eine gewisse Rolle spielt.

Vielleicht steht Andrea für eine neue Generation von Frauen, die nicht groß nachdenken und hauptsächlich Sex wollen? Ohne Verantwortung, ohne über die Folgen nachzudenken und ohne Skrupel – als Quasi-Imitation eines Macho-Mannes? Zumindest fällt auf, dass Andrea im Gespräch oft merkwürdig kurz angebunden ist und sich gar nicht so recht äußern mag. Es wird ohnehin wenig gesprochen in diesem Beinahe-Kammerspiel. Manchmal sieht es dann so aus, als ob nicht Andrea, sondern Philipps Villa die Hauptrolle spielt. Die statische Kamera blickt gern in die leeren, sparsam möblierten Räume, die in ihrer Sterilität abweisend wirken. Diese Bilder erinnern dann an Hitchcock, dessen „Rebecca“ ja ein etwas ähnliches Thema behandelt: eine Frau, die einem Witwer in sein Haus folgt, das noch immer von der verstorbenen Gattin beherrscht wird. Die Atmosphäre ist vergleichbar, auch wenn hier die Villa eher hell und unfreundlich wirkt als düster und unheimlich. Was Andrea letztlich antreibt, bleibt allerdings ebenso unausgesprochen wie Philipps familiäre Hintergründe.

Der Film wirkt gelegentlich, als sei er aus Versatzstücken und Symbolen unterschiedlicher Filmgenres zusammengesetzt. Am ehesten ist er ein Familiendrama mit unterkühlter Atmosphäre und ein bisschen Sex, der ein knisternder Erotik-Thriller hätte werden können, aber nicht sein will. So bleiben vor allem die schönen Bilder in Erinnerung in einem Film, der viele Fragen offenlässt.

Gaby Sikorski