In seinem neuen emotional aufrüttelnden Anti-Trump-Dokumentarfilm startet der begnadete Polemiker Michael Moore eine dringende Warnung, um die USA als Demokratie zu retten. Schon vor Jahren zeigte der 64jährige an den drastischen Folgen des profitorientierten Krankheitsversicherungssystems den maroden Zustand. Dass das System bereits bevor Trump auftauchte, kaputt war, illustriert er mit drastischen Beispielen. Ob Waffenlobby, die Finanzkrise oder George W. Bush, die in der Vergangenheit manchmal umstrittene Ikone Moore rechnet auch diesmal wieder in gekonnter Mischung aus staunender Naivität und beißender Schärfe, mit der US-Gegenwart ab.
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USA 2018
Regie & Drehbuch: Michael Moore
Darsteller: Michael Moore, Donald Trump, Barack Obama, Katie Perry, Roger Ailes, Brooke Baldwin, Ashleigh Banfield, Ivanka Trump, Hillary Clinton
Länge: 128 Minuten
Verleih: Weltkino
Kinostart: 17. Januar 2019
FILMKRITIK:
„Es wird keinen Präsidenten Donald Trump geben“, lacht George Clooney völlig überzeugt in die Kamera. Doch damit lag der charismatische Schauspieler total falsch. Selbst die renommiertere New York Times tippte mit ihrer Prognose, wer die US-Präsidentschaftswahl gewinnen wird, absolut daneben. Nur 15 Prozent Chancen auf einen Sieg räumten sie dem exzentrischen Milliardär Donald Trump ein, der für die Republikaner ins Rennen gegen die haushohe demokratische Favoritin Hillary Clinton ging. In seiner neuen Doku geht der begnadete Polemiker Michael Moore nun der Frage nach: „Wie zur Hölle konnte das passieren“. Der mutige Starregisseur zeigt den Weg zur Präsidentschaft, aber auch den Widerstand.
Vor allem aber, macht der 64jährige seine These anschaulich, dass das System bereits bevor Trump auftauchte marode und kaputt war. Dazu nimmt der umtriebige Filmemacher die Zuschauer mit ins Hauptquartier der Schüler rund um David Hogg und Emma Gonzalez. Sie kämpften nach dem Massenmord an ihrer High School in Parkland, Florida, für strengere Waffengesetze und gegen den Einfluss der NRA-Lobbyisten. In West Virginia trifft er Lehrer, die wochenlang streikten, um eine Krankenversicherung sowie einen Lohn zu erhalten, der über dem Armutsniveau liegt. „Die meisten Schüler haben mich als 'Mom' in ihren Handys eingespeichert“, erzählt eine Lehrerin über den Alltag in einem der ärmsten Bundesstaaten.
In einem exzellentem Zusammenschnitt von Clips aus Interviews und Fotos, illustriert er, dass Trump sich sexuell an seiner Tochter Ivanka vergangen haben könnte. Dazu kommentiert er in einer Szene, in der Trump über einen roten Teppich schreitet, aus dem Off; „Seine Verbrechen beging er immer schon in aller Öffentlichkeit“.
Doch sein erhellender Film ist nicht nur eine Anklage gegen den 45. Präsidenten der USA. Denn im Skandal um die Trinkwasserverseuchung in Moores Heimatstadt Flint mit mehrheitlich schwarzer Bevölkerung macht nicht nur Michigans republikanischer korrupter Gouverneur Rick Snyder eine schlechte Figur. Sondern selbst der damalige Präsident Barack Obama enttäuscht. Als Polit-Messias fliegt er aus Washington ein, um bei einer öffentlichen Veranstaltung für die Qualität des Flint-Wassers zu bürgen.
Er trinkt zwei Mal Leitungswasser aus einem Glas. Doch die Kamera entlarvt ihn. Er nippt nur daran. An dem mit Blei konterminierten Wasser starben bereits zwölf Menschen. „Als er kam, war er mein Präsident“, sagt eine schwarze Aktivistin bitter, „als er fuhr, war Obama das nicht mehr“. Der oscarprämierte Filmemacher, der mit seiner Anti-Waffenlobby-Doku „Bowling For Columbine“ für Furore sorgte, schont auch die Demokraten nicht. Er zeigt, dass sie Kandidaten ausschalteten, um Hillary Clinton möglichst stark ins Rennen zu schicken.
Durch diese unlautere Manipulation haben sie Trump überhaupt erst ermöglicht, so Moore. Eindringlich warnt er seine Mitbürger, die Anfänge einer Diktatur zu stoppen. Seiner Meinung nach könnte Donald Trump tatsächlich der letzte Präsident der USA und gleichzeitig ihr erster Diktator sein. Denn letztlich sei er nicht demokratisch gewählt worden. Er bekam nicht die Mehrheit der Wählerstimmen.
Trump sei nur Präsident, weil in den USA mit dem Electoral College, dem Wahlmänner-Kollegium, ein politisches Relikt nicht rechtzeitig abgeschafft wurde. Nach dem Bürgerkrieg wurde dieses System installiert, um die einstigen Sklavenhalter-Staaten im Süden zu befriedigen. Und wie der Yale-Historikers Timothy Snyder im Film betont, können die Vereinigten Staaten, sowieso, wenn überhaupt, erst seit 1970 wirklich als Demokratie bezeichnet werden. Denn erst ab diesem Zeitpunkt durften auch Afroamerikaner in den Südstaaten wählen.
Michael Moore zieht in seinem im besten Sinne aufrüttelnden Agitprop-Film alle Register. Eine Trump-Rede vermischt er mit den historischen Aufnahmen eines Hitler-Auftritts. Dass er Trump mit Hitler vergleicht, mag auf den ersten Blick überzogen wirken. Trump sei kein Massenmörder wie der NS-Diktator, räumt Moore freilich ein. Aber nach dem immer noch berechtigten Satz von Bertold Brecht: „Der Schoß ist fruchtbar noch, aus dem das kroch“, ist selbst diese krasse Satire nicht unbedingt verkehrt, um aufzuschrecken.
Luitgard Koch