Deutschland/Serbien und Montenegro/Niederlande/Frankreich 2004
Regie: Milos Radovic
Darsteller: Lazar Ristovski, Branka Katic, Simon Lyndon, u. a.
93 Minuten
Verleih: Arsenal
Start: 10. November
www.arsenalfilm.de
Wer die Filme von Emir Kusturica mag, wird auch an „Falling into Paradise“ seine Freude haben. Milos Radovics skurrile Kriegssatire folgt den Bemühungen einer serbischen Familie, die entweder alte Raketen vom Flohmarkt in den Himmel schießt oder amerikanische Fallschirmspringer vergöttert. Absurd, genial und immer voller Wahnwitz.
Belgrad, 1999. Die Bomben der UNO-Allierten fallen auf die serbische Hauptstadt, während Slobodan Milosevic offiziell zum Kriegsverbrecher erklärt und mit Hilfe eines beachtlichen Kopfgeldes gesucht wird. Niemand in der Stadt ist gut auf die neue „Befreiungsmacht“ zu sprechen, schon gar nicht der jähzornige Lubi (Lazar Ristovski), der seinem Ärger ständig Luft macht, indem er pro Tag einen Fernseher mit einer Baseballkeule zu Schrott kloppt.
Seine jüngere Schwester Dusha (Branka Katic) sieht alles schon viel positiver: Sie idealisiert die USA und den amerikanischen Traum. In ihrem Zimmer hängen Poster von Marilyn Monroe und der New Yorker Skyline, während sie ein großes Herz auf ein überdimensionales Bettlaken pinselt. Sie träumt davon, dass ein amerikanischer Fallschirmspringer auf ihrem Dach landet und sie mit nach Amerika nimmt. Nachts schickt sie verzweifelt amouröse Morsebotschaften per Taschenlampe in den Himmel.
Wer sich darauf einstellt, dass der serbische Filmemacher Milos Radovic einen ganz ähnlichen kritischen Geist atmet wie sein berühmter Kollege und Landsmann Emir Kusturica, der dürfte schon ahnen, wie so eine Balkan-Slapstick-Komödie im weiteren Verlauf aussehen könnte. Es dauert nicht lange, bis Lubi vom Flohmarkt eine alte russische Trägerrakete ersteigert und sie eines Abends von seiner eigenen Terrasse abfeuert.
Milos Radovic gelingt mit „Falling into Paradise“ eine Realsatire par excellence, die zugleich eine liebevoll-zärtliche, bisweilen ins Absurde reichende komödiantische Innenansicht einer Gesellschaft im Krieg ist, deren Menschen unter der täglichen Bombardierung das Überleben proben.
Branka Katic, die einigen Zuschauern vielleicht noch aus „Schwarze Katze, weißer Kater“ (1998) und Fatih Akins „Im Juli“ (2000) in Erinnerung geblieben ist, spielt auf erfrischende Weise die Frau zwischen den Fronten, die zwischen sturen Amerikanern und verbitterten Serben zu vermitteln weiß. Gemeinsam mit der hervorragenden Filmmusik, die von Goran Bregovichs Wedding & Funeral stammen könnte und mit ihrer wilden Spielart von Trompetn, Tuba, Gitarren und Trommeln einer musikalischen Rasselbande gleichkommt, wird „Falling into Paradise“ ein äußerst munteres Filmerlebnis, bei dem herzlich gelacht werden darf.
Milos Radovic hat in der Vergangenheit vor allem mit seinem Kurzfilm „My Country“ (1998) für internationales Aufsehen sorgen können. Die jüngere Geschichte seines Landes dürfte den Filmemacher garantiert noch zu dem ein oder anderen Thema verhelfen können. Solange dabei so gelungene Komödien entstehen wie im Fall von „Falling into Paradise“, sollte man ihm beide Daumen drücken.
David Siems