Im „Fitness California“ in Freiburg im Breisgau scheint die Zeit stehengeblieben zu sein. Hier surft man noch auf der Fitnesswelle der 80er Jahre und setzt mehr auf freundschaftlichen Zusammenhalt als auf das glitzernde Styling, mit dem moderne Fitness-Ketten Kunden für sich gewinnen wollen. Doch sobald es an die Geräte geht, geht es auch ans Eingemachte. Ehrgeiz wird im „Fitness California“ ganz großgeschrieben – dafür sorgen in diesem Dokumentarfilm, der nach wenigen Minuten zum Feelgood-Movie wird, drei veritable Ringer-Legenden.
Dokumentarfilm
Webseite: https://fitnesscalifornia-film.de/
Deutschland, 2023
Buch und Regie: Nadine Zacharias
Darsteller: Adolf Seger, Mario Sabatini, Dagmar Sabatini, Bernd Fleig
Bildgestaltung: Nicu Mihailesu
Musik: Sebastian Scheipers
Länge: 104 Minuten
Verleih: Moving Ideas/Nadine Zacharias/Filmwelt Verleihagentur
Start: 04.04.2024
FILMKRITIK:
Im „Fitness California“ treffen sich regelmäßig Adolf Seger, Bernd Fleig und Mario Sabatini, die in den 60er und 70er Jahren als Ringer zur Weltspitze gehörten, deutsche, Europa- und Weltmeister waren und an den Olympischen Spielen teilgenommen haben. Und sie treffen sich nicht, um am Tresen Power-Drinks zu schlürfen und von den alten Zeiten zu plaudern, sondern sie treffen sich, um zu trainieren. Denn Sport war und ist für die Drei – so wie für die meisten anderen Kunden von „Fitness California“ – eine Lebensphilosophie: „Ein Leben ohne Sport? Nein. Ich hoffe, dass ich mich bis zum letzten Atemzug bewegen kann“, sagt einer der Drei.
Diese drei wackeren Sportler könnten nicht unterschiedlicher sein: Der quirlige Sabatini, der gemeinsam mit seiner Frau Dagmar das Studio „Fitness Calfornia“ betreibt, hat keine Zeit zum Stillsitzen und Philosophieren: Er ist die ganze Zeit unterwegs, um Geräte und Installationen in seinem verwinkelten Studio in Schuss zu halten. Das Philosophieren ist mehr Bernd Fleigs Sache, in dessen Leben es eine Zäsur gegeben hat, als sein Sohn mit einer schweren Behinderung geboren wurde und sich förmlich ins Leben kämpfen musste. Im Film ist zu sehen, wie Martin Fleig, der von seinem Vater trainiert wurde, eine Goldmedaille bei den Paralympics erringt.
Und da ist noch Adolf Seger, der verrückte Titelsammler, der nach wie vor im Studio und außerhalb ein irres Trainingspensum absolviert. Seger hat es bis heute nicht wirklich verwunden, dass er durch den damaligen Boykott nicht an den 80er Spielen in Moskau teilnehmen konnte, wo er Favorit auf die Goldmedaille gewesen wäre. Und er trainiert heute beinahe noch genauso, als würde er morgen ins Olympische Dorf einziehen.
Die Geschichten dieser Männer und die von „Fitness California“, wo Sabatinis Frau Dagmar als „guter Geist“ regiert, erzählt die Regisseurin und Drehbuchautorin Nadine Zacharias in teils realistischen, teils beinahe romantisch schönen Bildern. Aus diesem Gegensatz, aus dem Verschmelzen von Schinderei und Utopie, zieht „Fitness California“ seine Faszination, im wirklichen Leben wie im Kino. Es dauert nur Minuten, bis einem die durchaus selbstironisch gealterten Matten-Helden ans Herz gewachsen sind. Und während des gesamten Films wächst von Minute zu Minute immer weiter der Respekt vor diesen Kerlen: Spätestens, wenn man fassungslos zusieht, wie diese fabelhaften Senioren sich unter sengender Sonne auf dem Tennisplatz die Bälle um die Ohren hauen und wie die Hasen über den roten Sand sprinten, blüht die resignative Erkenntnis, dass man derartige Leistungen nicht einmal als junger Mensch draufhatte.
Am Ende bleibt nur Bewunderung. Für die Lebensleistung dieser Menschen, für ihre ungebrochen positive, sportliche Lebensphilosophie und für einen sehr unterhaltsamen Dokumentarfilm, der die Welt dieser Menschen auf höchst unterhaltsame Weise einem Publikum nahebringt. Man bekommt direkt Lust mitzumachen. Nicht unbedingt beim Ringen, da hätte man ohnehin keine Chance gegen die drei Power-Senioren. Aber ein bisschen Bewegung täte schon gut … Der kleine Film macht jedenfalls nicht nur richtig viel Spaß, sondern auch Lust, sich sportlich zu betätigen.
Gaby Sikorski