Originaltitel: Maboroshi no hikari
Japan 1995
Regie : Hirokazu Kore-Eda
Drehbuch: Yoshihisa Ogita
Vorlage: Teru Miyamoto
Kamera: Masao Nakabori, Fumio Maruyama
Musik: Cheng Ming Chang
Darsteller: Makiko Esumi, Takashi Naito, Tadanobu Asano, Gohki Kashiyama, Naomi Wata-nabe, Midori Kiuchi, Akira Emoto
ca. 110 Min.
Verleih: Peripher
Kinostart Deutschland: 28.7.2005
Hirokazu Kore-Eda beschränkt sich in seinem Debütfilm „Maboroshi – Licht der Illusi-on“ auf eine strenge, klare Bildsprache, die eine Ahnung eröffnet von der Transzendenz fernöstlicher Religiosität. Diese filmische Studie über das Abschiednehmen, die Trauer und die Möglichkeit, neues Glück zu finden sucht dieses nicht in der großen Erfüllung, nicht im überwältigenden Wunder, sondern zum Beispiel im Dampf, der aus der Tee-kanne steigt, in einem Kinderlächeln oder in heraufziehenden Gewitterwolken.
Eines der ersten Bilder dieses Films zeigt einen leeren Raum, und dann läuft ein Kind aus einem dunklen Hinterhof durch einen Tordurchbruch ins gleißende Licht. Es ist ein fotogener Schauplatz; die Kamera kehrt gern an ihn zurück. Der Durchgang wirkt wie ein großzügiger Tunnel, der dem kleinen Mädchen einen Ausblick in die Welt da draußen eröffnet. Später wird die erwachsene Yumiko immer wieder davon träumen, wie sie einst an diesem Ort von ihrer Großmutter Abschied genommen hat, die zum Sterben in das Dorf ihrer Kindheit zu-rückkehren will. „Maboroshi – Licht der Illusion“, das bereits vor zehn Jahren entstandene Erstlingswerk von Hirokazu Kore-Eda, mag sich, genau wie seine Heldin, auch später nie ganz von diesem Schauplatz lösen. Er entwickelt eine eigne Zeichenwelt daraus, entdeckt immer wieder Motive, enge Gassen, Fenster und Türen, die einen Rahmen innerhalb der Komposition bilden und die Erinnerung an diesen Ort einer doppeldeutigen Obhut wach hal-ten.
Die Handlung des Films ist ebenso reduktionistisch wie seine ästhetische Komposition: Er-zählt wird, wie sich Yumiko nach dem Freitod ihres geliebten Mannes allmählich aus der Trauer arbeitet, wie sich ihr scheinbar hoffnungslos zerbrochenes Leben wieder zusammen-fügt und wie sie in ihrem neuen Alltag mit ihrem Sohn an der Seite ihres zweiten Mannes und dessen Tochter in einem kleinen idyllischen, aber auch etwas trostlosen Fischerdorf zwi-schenzeitlich etwas Frieden findet, vielleicht sogar so etwas wie Glück. Mehr nicht.
Aber nicht das was, sondern wie es erzählt wird, macht die Faszination dieses Films aus. Montage, Komposition und Inszenierung von „Maboroshi“ stehen ganz in der Tradition der japanischen visuellen Kultur: Das Abschiednehmen ist, wie in den Filmen des japanischen Klassikers Yasujiro Ozus, die grundlegende Erfahrung seiner Figuren. An das große Vorbild Ozu gemahnen auch die Tableaus der Versunkenheit, mit denen Kore-Eda die Atmosphäre aufgeladener Ereignislosigkeit einfängt. Es sind meist fixe, unbewegte Einstellungen, in de-nen der Regisseur sich als ein Fetischist des rechten Winkels entpuppt, der die Figuren vor-nehmlich frontal oder im Profil filmt. So zeigt der Film uns die Personen oft in abgewandter Haltung, verdeckt sie durch Requisiten. Meistens sind die Figuren so weit entfernt, dass sie kaum erkennbar sind. Nicht einmal in den wenigen Close-Ups rückt die Kamera den Darstel-lern zu nah. Jeder dieser Momente ist eine Gelegenheit, ihre Reaktionen wahrzunehmen und ihr Leiden tiefer zu fühlen.
Virtuos nutzt der Regisseur natürliche Lichtquellen – die flimmernden Reflexe des Sonnen-scheins auf einer leeren Wand, das Gegenlicht, das die Silhouetten der Figuren wie eine Au-reole umfängt oder gleißend aufzulösen scheint, um das Abwesende abzubilden. Das grobe Korn des empfindlichen Filmmaterials wimmelt in blassen Schemen, die sich manchmal nur schwach aus dem Schwarz schälen. Der Mangel an Zuspitzung, die Überlänge mancher Ein-stellung machen einem die Zeit gelegentlich lang, aber für Szenen wie die, in der Yumikos Lächeln beim Anblick ihres Melonen essenden Sohnes erstrahlt, lohnt es sich, ihn zu sehen.
Ralph Winkle