Sie waren mal Stars

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Alles echt, oder? In der Mockumentary „Sie waren mal Stars“ versuchen zwei ehemalige Youtube-Serienstars an frühere Erfolge anzuknüpfen. Auf einem Filmfest im hohen Norden soll das Comeback gelingen. Mit überspitzem und anarchistischem Humor thematisiert sie den Boom der Videoportale sowie die Folgen von Internetberühmtheit und verblassendem Ruhm. Als branchen- und medienkritische Doku-Parodie funktioniert der nur 70-minütige Film ganz wunderbar, allerdings erschließen sich die Inhalte und Botschaften nicht immer sofort.

Website: http://www.ua-film.com/

Deutschland 2020
Regie: Malte Wirtz
Drehbuch: Holger Bülow, David Kramer
Darsteller: Holger Bülow, David Kramer, Martin Neuhaus, Anja Trautmann
Länge: 73 Minuten
Kinostart: 14.10.2021
Verleih: Unfiltered Artists

FILMKRITIK:

Helma H. Hunsen (Holger Bülow) und David Held (David Kramer) wurden mit der Youtube-Polizeiserie „Kreuzköllnkops“ zu weltweiten Stars. Dies beteuern sie zumindest immer wieder. Doch diese Zeiten sind lange vorbei. Um an alte Erfolge anzuknüpfen fahren sie zum Filmfest Schwerin, auf dem sie mit einem vor Ort gedrehten Kurzfilm für Furore sorgen wollen. In Schwerin angekommen stellen sie fest, dass es sich um ein Filmfest für SchülerInnen handelt. Als dann noch der Zeitplan für den Dreh gehörig durcheinandergerät und ihre Freundschaft auf der Kippe steht, droht das ganze Unterfangen zu scheitern.

Die im Stile einer klassischen Mockumentary (fiktionalisierte Doku) realisierte Produktion entführt den Zuschauer gleich in den ersten Minuten glaubhaft und authentisch in die Welt der „Kreuzköllnkops“. Gefakte Berichte in bekannten Tageszeitungen und Publikationen vermitteln den Eindruck, dass die Schauspieler und die Serie tatsächlich existieren. Hinzu kommen Interview-Ausschnitte beim Berliner Hörfunksender „Radio Eins“ sowie altes Behind-the-Scenes-Material, das den Eindruck der tatsächlichen Existenz verstärkt. In diesen Momenten erinnert der Film an „Fraktus“ (2012), eine Parodie auf Musik- und Band-Dokus. Eine Mockumentary, die im Gegensatz zu „Sie waren mal Stars“ auch noch über O-Töne und Interview-Auszüge mit echten Branchenvertretern und Promis verfügte.

Schon einige seiner früheren, experimentell anmutenden Filme bestückte Regisseur Malte Wirtz mit idealistischen Protagonisten, die an ihr großes Ziel glauben. Solche Idealisten, wenn auch etwas verblendete, sind ebenso die zwei ziemlich planlosen, aber dennoch liebenswerten Hauptfiguren Hunsen und Held. Die etwas in die Jahre gekommenen Chaoten lassen sich von ihrem Vorhaben nicht abbringen. Das verdeutlichen auch die Dialoge sowie die bewusst klischeehaft gehaltenen Parolen und ironischen One-Liner („Ich glaube an unser Comeback!“).

Der Clou ist, dass schon die Prämisse auf einem Irrglauben basiert. Und bereits der Filmtitel satirisch auf die verzerrte Wahrnehmung vieler (Internet-)Stars anspielt, ein paar Tausend Klicks im Monat mache sie zu populären Online-Celebrities. Denn so richtig erfolgreich waren die zwei Möchtegern-VIPs mit den „Kreuzköllnkops“ nie. Die Wahrnehmung von Hunsen und Held aber ist eine völlig andere.

Der Film persifliert somit gewissermaßen die Verblendung und den Realitätsverlust vieler (angeblicher) Internet-Idole und der digitalen Prominenz, für die mediale Aufmerksamkeit, Klicks und die Zahl der Kanal-Abonnenten alleinige Maßstäbe für Erfolg und Qualität sind. Darüber hinaus spielt „Sie waren mal Stars“ satirisch gekonnt auf die Halbwertszeit von Online-Berühmtheit, den beständigen Youtube-Boom sowie die Oberflächlichkeit der Influencer-Szene an.

Und damit ist das Werk weitaus tiefgründiger und scharfsinniger, als es zunächst den Anschein hat. Ein Grund dafür ist der bisweilen etwas derbe, überspitzte Witz, zum Beispiel wenn Hunsen und Held in der Schweriner Innenstadt die Action-Szenen für ihren Kurzfilm drehen. Der Anarcho-Humor überlagert diese Botschaften und kritischen Töne mitunter. Doch bei genauerer Betrachtung kommen jene Aussagen und eigentlichen Themen dann eben doch zur Geltung. Dazu gehören ebenso der Verweis auf die schwierige finanzielle Lage vieler Theater- und TV-Schauspieler, der Kampf gegen verblassenden Ruhm und die Herausforderung, an frühere Erfolge anzuknüpfen. Und zu guter Letzt entlarvt der Film auch noch ausbeuterische Produzenten sowie bestechliche Festival-Leiter und hinterfragt kritisch die Bedeutung von Fake-Soaps und Reality-TV.

Björn Schneider