Smuggling Hendrix – Nicht ohne meinen Hund

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Mit absurder Komik und Gespür für Zwischentöne inszeniert der cypriotische Regisseur Marios Piperides seine temporeiche Tragikomödie. In den absurden Verhältnissen und grotesken Situationen spiegelt sich der Zypern-Konflikt. Lange Zeit galt die Grenze zwischen den beiden Landesteilen der Insel als die letzte Mauer Europas. Undogmatisch macht Piperides die persönliche Dimension dieses komplexen politischen Themas sichtbar. Jenseits des Mainstreams überzeugt dabei sein Hauptdarsteller, der deutsch-griechische Tausendsassa Adam Bousdoukos. Der gebürtige Hamburger aus dem Clan des Kultregisseurs Fatih Akins feierte mit der Komödie „Soul Kitchen“ seinen Durchbruch. Als treu sorgender Hundebesitzer, dessen Liebling alle Grenzen ignoriert, begibt sich der 45jährige auf eine abenteuerliche Reise mit Hindernissen.

Webseite: www.filmperlen.com/smugglinghendrix.html

Zypern, Deutschland, Griechenland 2018
Regie & Drehbuch: Marios Piperides
Darsteller: Adam Bousdoukos, Fatih Al, Vicky Papadopoulou, Özgür Karadeniz
Länge: 93 Minuten
Verleih: Filmperlen
Kinostart: 14. November 2019

FILMKRITIK:

Nikosia, die letzte geteilte Hauptstadt der Welt. Den erfolglosen griechisch-zypriotischen Rockmusiker Yiannis (Adam Bousdoukos) hält dort nichts mehr. Seine langjährige Freundin Kiki (Vicky Papadopoulou) hat ihn verlassen. Geblieben ist ihm nur der gemeinsame Hund Jimi, den er nach seinem Idol Jimi Hendrix nannte. Die Flugtickets nach Amsterdam hat der abgebrannte Filou schon in der Tasche. Und diesmal hat er sich sogar einen Plan gemacht. Doch den durchkreuzen nicht nur kriminelle Kredithaie, die ihm auf den Fersen sind.
 
Denn auf der Flucht vor seinen Gläubigern büxt ihm Jimi aus. Der kleine Foxterrier, ein wahres Energiebündel, bringt ihn in arge Bedrängnis. Denn ungehindert überquert der Hund die UN-Pufferzone und läuft in die türkisch besetzte Zone. „Mach das nie wieder mit mir mein Freund“, schimpft Yiannis ihn aus, als er ihn dort findet. Aber der Rückweg gestaltet sich schwierig. Die Grenzsoldaten kennen diesmal keine Gnade. Ein EU-Gesetz verbietet die Einfuhr von Tieren auf die griechische Seite strikt.  „Aber was soll ich mit ihm machen“, fragt Yiannis umsonst.
 
Verzweifelt schleicht er sich mit Jimi zum ehemaligen Haus seiner griechischen Eltern. Inzwischen leben türkische Siedler dort.  Familienvater Hasan (Fatih Al) ist nicht besonders erfreut als er ihn sieht. „Was willst du von uns“, will er wissen. Yiannis hofft, dass er ihm hilft seinen Liebling zurückzubringen. Und trotz aller Ressentiments lässt Hasan sich erweichen. „Ich bin Zypriote, ob es dir gefällt oder nicht“, verkündet er vorher jedoch. Hasan kennt Turbek (Özgür Karadeniz), einen dubiosen Typ, der alles Mögliche über die Grenzen schmuggelt.
 
Im Hamam, dem türkischen Schwitzbad, machen die drei den Deal, der Yiannis teuer zu stehen kommt, perfekt. Damit ist Yiannis Odyssee freilich nicht zu Ende. Eigentlich beginnt sie danach erst so richtig. Und am Ende muss er sogar seine Freundin Kiki (Vicky Papadopoulou) wieder um Hilfe bitten. „Warum muss bei dir nur andauernd so ein Chaos herrschen“, fragt die junge Frau ihren Ex völlig entnervt. Mit absurder Komik und Gespür für Zwischentöne inszeniert der zypriotische Regisseur Marios Piperides seine temporeiche Tragikomödie. In den absurden Verhältnissen und grotesken Situationen spiegelt sich der langanhaltende Zypern-Konflikt.
 
Da er seit 1974 nicht dauernd Schlagzeilen lieferte, wurde er zu einem jener etablierten Konflikte, deren Ursachen und Existenz weitgehend in Vergessenheit gerieten. Die Teilung Zyperns, in einen griechischen und einen türkischen Teil, stellt eines der ungelösten Probleme der EU dar. Undogmatisch macht Piperides in seinem Spielfilmdebüt die persönliche Dimension dieses komplexen politischen Themas sichtbar. Da derzeit eine Wiederaufnahme der Gespräche über die Wiedervereinigung von Zypern aussichtslos scheint, ist sein erhellende Komödie umso wichtiger.
 
Gleichzeitig sorgen immer wieder kleine Gags für unbeschwertes Schmunzeln. So wenn Hund Jimi ausgiebig gähnt, als der Polizist anfängt, die EU-Vorschriften zu zitieren. Oder wenn Yiannis, der eine Luftmatratze kauft, nach dem Aufblasen merkt, dass das Kissen eine große türkische Flagge ist und sie schnell umdreht. Auf der Rückseite sieht es kaum besser aus. Dort kommt die türkisch-zypriotische Flagge zum Vorschein. Jenseits des Mainstreams überzeugt dabei Hauptdarsteller Adam Bousdoukos bei diesem Plädoyer gegen einseitige Schuldzuweisungen.
 
Mit Erfolgsregisseur Fatih Akin drückte der 45jährige früher schon gemeinsam die Schulbank, und ohne ihn wäre der gebürtige Hamburger und Sohn griechischer Eltern wohl nie Schauspieler geworden. Nach den Hauptrollen in den Filmen „Kurz und schmerzlos“ und „Soulkitchen“ haben die beiden Freunde auch in der Literaturverfilmung „Der Goldene Handschuh“ zusammen gearbeitet. Bousdoukos  spielte schon als Teenager kleinere Rollen in Werbespots und nahm Unterricht an der Hamburger Stageschool.
 
Luitgard Koch