Sonne und Beton

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Pubertät zwischen Drogen und Gewalt im Plattenbau: Die mit Kriminalfilm- und Coming-Of-Age-Anleihen angereicherte Milieustudie „Sonne und Beton“ erzählt von drei Freunden und ihrem neuen Klassenkameraden in Berlin-Gropiusstadt. Die Verfilmung, die auf dem Debütroman von Felix Lobrecht basiert, seziert einen von Perspektivlosigkeit und sozialen Abgründen geprägten Alltag inmitten gewaltiger Hochhausschluchten. „Sonne und Beton“ ist ein ehrlicher, ungemein realitätsnaher Film, der trotz aller Ernsthaftigkeit mit situativer Komik und schwarzem Humor punktet.

Deutschland 2022
Regie: David Wnendt
Buch: David Wnendt, Felix Lobrecht
Darsteller: Levy Rico Arcos, Vincent Wiemer,
Rafael Klein-Heßling, Aaron Maldonado-Morales

Länge: 119 Minuten
Verleih: Constantin
Kinostart: 02. März 2023

FILMKRITIK:

Berlin, Gropiusstadt: Es ist der Sommer des Jahres 2003, ein ungemein heißer Sommer mit Temperaturen auf Rekordniveau. Lukas (Levy Rico Arcos), Gino (Rafael Luis Klein-Hessling) und Julius (Vincent Wiemer) leben in der dortigen Großbausiedlung am Rande der Innenstadt zumeist in den Tag hinein. Es ist schwül, trist und Geld ist ohnehin nie da. Nur gelegentlich kaufen sie sich ihr Gras im nahegelegenen Park – in dem es eines Tages zu einer unerwarteten Auseinandersetzung kommt.

Denn dort geraten die Drei zwischen die Fronten zweier ausländischer Drogenbanden. Mit einer blutigen Nase für Julius endet die Konfrontation und es kommt noch schlimmer: Lukas soll 500 Euro Schutzgeld zahlen. Und das gleich bis zum nächsten Tag. Da die Freunde natürlich nicht über so viel Geld verfügen, kommt Klassenkamerad Sanchez (Aaron Maldonado-Morales) eine Idee: die neuen Computer aus dem Lager der Schule stehlen und die Rechner zu Geld machen. Gelingt der Coup?

Regisseur David Wnendt („Feuchtgebiete“) taucht in seiner Adaption des gleichnamigen, autobiografisch gefärbten Romans von Felix Lobrecht tief ein in den „sozialen Brennpunkt“ Gropiusstadt/Neukölln. Ein Leben im Plattenbau, das geprägt ist von chronischem Geldmangel, Drogen- und Alkoholkonsum, Bandenkriegen, sozialer Unsicherheit und Kleinkriminalität. Wnendt widmet sich jedem seiner Protagonisten ausgiebig (vor allem dem Ich-Erzähler Lukas) und präsentiert eine authentische, ungekünstelte Darstellung der jugendlichen Lebenswirklichkeit.

Da sind natürlich einerseits die typischen „Coming-of-Age“-Themen der aufkeimenden Sexualität, intensive Schwärmereien, Freundschaft, Selbstfindung oder auch Gruppenzwang. Wnendt baut diese Aspekte fast beiläufig in seinen rasant geschnittenen und dynamisch erzählten Film ein, und er tut dies mit einem sympathischen Mix aus zum Schmunzeln anregender Situationskomik und ernsthafter Betrachtung – unterlegt mit den provokanten, derben Lyrics und harten Beats der Aggro-Berlin-Rapper jener Tage.

Zu einer realistischen Milieustudie und einem authentischen „Problembezirk-Porträt“ gehören aber gleichsam die ernsten Hintergründe, Missstände und (innerfamiliären) Abgründe – die „Sonne und Beton“ nicht verschweigt. Im Gegenteil. Überforderte, entkräftete Lehrer in heillos überfüllten Klassen, gewalttätige und ihre Erziehungspflichten vernachlässigende Eltern, Perspektivlosigkeit und Ernüchterung wo immer man hinsieht. „Sonne und Beton“ benennt all dies und ist dabei schonungslos ehrlich. Das Interessante: Der Film spielt im Jahr 2003, er könnte mit seinen Inhalten, die ohne Zweifel fast ausnahmslos gesamt-gesellschaftliche Relevanz besitzen, aber ebenso in der Gegenwart angesiedelt sein.

Einen Großteil zum Gelingen des Films tragen nicht zuletzt die vier Jungdarsteller mit ihrem leidenschaftlichen, sehr natürlich wirkenden Spiel bei. Abgeklärt und souverän schlüpfen die vier Jugendlichen in die Rollen der Problemviertel-Halbwüchsigen, die irgendwie versuchen durchzukommen und in ihrer Lebensrealität zwischen Lethargie, Rausch und pubertärem Leichtsinn gefangen sind.

 

Björn Schneider