Super Friede Liebe Love

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In seiner Doku „Super Friede Liebe Love“ begleitet Regisseur Till Cöster eine Gruppe von Gestrandeten, die in einem Münchner Männerwohnheim eine neue Bleibe gefunden haben. Nach zum Teil jahrelanger Suchtkrankheit und einem verwahrlosten Leben auf der Straße, stellt das Wohnheim für sie gleichzeitig Chance und Zuflucht dar. Cöster beobachtet sie beim Versuch, wieder einen Patz in der Mitte in der Gesellschaft zu finden.

Webseite: www.dropoutcinema.org

Deutschland 2017
Regie & Drehbuch: Till Cöster
Länge: 90 Minuten
Kinostart: 5.9.2019
Verleih: Drop-Out Cinema

FILMKRITIK:

Mitten in München befindet sich das „Haus in der Kyreinstraße“, ein katholisches Männerwohnheim, das den von der Gesellschaft Aussortierten eine Heimat gibt. Hier leben Männer, die ihre Unterkunft und meist ihre Selbstachtung verloren haben. Süchtige, Obdachlose, psychisch Kranke. Gemeinsam versuchen sie, ins Leben zurückzufinden. Sie unterstützen sich gegenseitig, führen Gespräche, kochen zusammen und schauen Fußball. Till Cöster begleitet die Bewohner dieser ganz und gar ungewöhnlichen „Männer-WG“.

Cöster, der gebürtig aus Hamburg stammt, drehte die Doku 2017 noch während seines Studiums an der Münchener Hochschule für Film und Fernsehen. Im letzten Jahr beendete er seine Ausbildung mit dem Spielfilm „Ein Spiel mit drei Regeln I“, den er auch selbst produzierte. Cöster realisierte „Super Friede Liebe Love“ über einen Zeitraum von einem Jahr.

So tragisch die persönlichen Schicksalsschläge der Porträtierten sowie ihre individuellen Lebenswege doch sind, es handelt sich bei ihnen mitnichten um allesamt verbitterte, dauerbetrübte Zeitgenossen. Und „Super Friede Liebe Love“ ist ebenso wenig ein Film, der von Anfang bis Ende von Schwermut durchzogen ist. Vielmehr einer, der berührt, durchaus auch Hoffnung auf Veränderungen bietet und zeigt, dass die Möglichkeit zur kritischen Selbstreflexion und -analyse immer besteht – trotz einer bestehenden Suchtkrankheit oder jahrelanger Wohnungslosigkeit. All dies beweisen die Männer, denen Cöster aufmerksam zuhört und die er vor der Kamera gewähren lässt.

Oft reumütig, manchmal peinlich berührt aber stets sehr überlegt und offen sprechen die Männer über ihre Vergangenheit. Cöster unterbricht sie nicht und ist selbst zu überhaupt keinem Zeitpunkt des Films zu hören oder zu sehen. Das ist wichtig, um den Protagonisten volle Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, ihr Vertrauen zu gewinnen und um das Interesse des Zuschauers voll und ganz auf sie zu lenken. Von den Männern verfügt jeder über schrullige Charaktereigenschaften und mitunter liebenswürdige Verhaltensweisen, die der Regisseur sorgsam und wiederum durch exakte sowie zielgerichtete Beobachtung  herausarbeitet. Es sind wahlweise kraftspendende Schutzmechanismen, eigensinnige Wesenszüge oder einfach nur Ticks, die letztlich aber das Leben erträglicher machen.

Einer der Bewohner zitiert etwa immer wieder berühmte Dichter und Schriftsteller. Ein anderer, besonders sammelwütiger Mann, lebt in seinem vollgepackten Zimmer, umgeben von einer unüberschaubaren Anzahl an Schriftstücken und Dokumenten. Ein Dritter murmelt ständig (scheinbar zusammenhanglose) Substantive vor sich hin, schreibt sie auf die Straße oder auf seine Zimmerwände. Von ihm ließ sich Cöster zum Filmtitel inspirieren.

„Super Friede Liebe Love“ ist geprägt von einer beachtlichen Langsamkeit und Ruhe, die sich beim Betrachten auf den Kinobesucher überträgt. Cöster nimmt zusätzlich noch Tempo raus, in dem er lange Einstellungen wählt und sich für einen langsamen Schnittryhthmus entscheidet. Einmal zum Beispiel beobachtet er einige Bewohner beim Kochen – fast eine Minute lang, ohne die Kamera zu bewegen, ohne Schnitt. Somit vermittelt der Filmemacher  letztlich ein dringliches, authentisches Gespür dafür, wie sich das Leben der Männer im „Haus in der Kyreinstraße“ gestaltet: entschleunigt und gemächlich, stets den eigenen Regeln und Gesetzmäßigkeiten folgend.

Björn Schneider